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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Hänel
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Autos, auch ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht ist darunter. Und wenn Lukas sich nicht sehr täuscht, ist einer der anderen Wagen ein schwarzer Audi. Er kneift die Augen zusammen, um das Spruchband lesen zu können, das jemand hochhält: » WIE VIELE KINDER MÜSSEN NOCH STERBEN ?«
    Karlotta sitzt inzwischen in ihrem Rollstuhl, weil sie dann schließlich doch zu müde zum Laufen geworden ist. Aber jetzt ruft sie aufgeregt: »Da ist Mama! Ich hab sie schon gesehen. Los, weiter!«
    »Warte mal«, sagt Lukas und hält den Rollstuhl an. Ihm wird jetzt erst klar, dass seine Mutter bestimmt nicht will, dass er mit Karlotta hier auftaucht. »Das ist nichts für dich«, sagt er und streicht seiner Schwester über die Haare. »Da geht’s um Leonie und …«
    »Es geht auch um mich«, unterbricht ihn Karlotta. »Ich hab nämlich dieselbe Krankheit wie Leonie. Und ich will da jetzt hin! Wenn du nicht weiterschiebst, halte ich die Luft an, bis ich blau werde. Und dann kriegst du voll Ärger!«
    Lukas guckt in Karlottas funkelnde Augen und weiß nicht, was er machen soll. Plötzlich bremst ein Fahrrad direkt neben ihm.
    »Hammer!«, sagt Jannik. »Ich hab’s gerade erst von Alex gehört. Sein Vater ist schon hierher unterwegs, weil er ja irgendwas machen muss als Bürgermeister. Wahrscheinlich eine Rede halten oder so, um sie alle wieder zu beruhigen. Hammer!«, wiederholt er. »Eine echte Demo! Weißt du, worum es überhaupt geht?«
    »Leonie ist gestorben, eins von den Kindern, die an Leukämie erkrankt sind. Die Demo ist von der Selbsthilfegruppe«, erklärt Lukas schnell. »Meine Mutter ist auch dabei. Mehr weiß ich auch noch nicht.« Leise setzt er hinzu: »Hinter dem Polizeiwagen da drüben steht der Audi von den beiden Typen. Glaube ich jedenfalls. Du weißt schon, wen ich meine …«
    Jannik pfeift durch die Zähne. »Alles klar, Mann. Dann geh ich mal besser ein bisschen auf Abstand zu euch.« Er bückt sich, als müsste er die Schnürsenkel von seinem Turnschuh neu binden. Halblaut sagt er dabei: »Übrigens ist das Klebeband wieder da. Ich hab’s heute Morgen zufällig gesehen. Es hing an dem Nagel über der Werkbank von meinem Vater, da wo es sonst auch immer ist.«
    »Und das … Du weißt schon!«
    »Null. Keine Ahnung.«
    Jannik richtet sich auf und sucht in seiner Hosentasche, bis er ein zerdrücktes Päckchen Kaugummi zutage fördert, das er Karlotta hinhält. »Hier, für dich! Ist gut, mit Zitrone!«
    Karlotta nimmt das Päckchen, ohne etwas zu sagen.
    »Man sieht sich!«, meint Jannik ein bisschen verunsichert und steigt auf sein Rad. Er winkt noch mal und kurvt dann klingelnd an einer Familie vorbei, die sich gerade gegenseitig fotografiert. Mutti und die beiden Kinder vor der Demonstration. Vati und die beiden Kinder. Nur die beiden Kinder, ohne Mutti oder Vati. Und noch mal nur die Demonstration, ohne Mutti, Vati oder die Kinder. Aber dafür mit den beiden Kühltürmen des AKW s im Hintergrund.
    Touristen, denkt Lukas. Echt krass drauf. Fehlt nur noch, dass sie als Nächstes ein Foto von Karlotta und ihm machen. Echte Homies vom Abenteuerurlaub in Wendburg!
    Karlotta zupft ihn am Arm und streckt ihm das Kaugummipäckchen hin. »Das will ich nicht. Das hat er mir nur gegeben, weil ich ihm leidtue. Aber ich mag sowieso keine Zitrone. Bäh, voll eklig! Können wir jetzt weiter?«
    Lukas nickt, steckt die Kaugummis in seine Hosentasche und schiebt Karlotta ein Stück weiter, bis sie zwischen den anderen Leuten stehen.
    Zwei Polizisten versuchen gerade, mit Lukas’ Mutter und den anderen Demonstranten zu reden, die auf einer Plane sitzen und dadurch die Fahrbahn blockieren. Leonies Mutter ist nicht dabei, aber Lukas sieht ein Foto von Leonie, das an einer Vase mit frischen Sommerblumen lehnt. Mit einem Trauerflor an der oberen Ecke und ein paar brennenden Kerzen davor auf dem Boden. Er hört, wie seine Mutter gerade sehr laut sagt: »Nein, wir bleiben hier sitzen. Wenn Sie wollen, dass wir die Straße frei machen, müssen Sie uns schon wegtragen. Aber wir werden trotzdem wiederkommen, jeden Tag, irgendjemand von uns wird immer hier sein, bis uns endlich jemand zuhört.«
    Ein Polizist hebt ratlos die Hände, sein Kollege spricht nervös in das Funkgerät unter seiner Achselklappe.
    Das Seitenfenster des schwarzen Audis ist mittlerweile heruntergelassen, Lukas erkennt eindeutig das Profil von Koschinski, auch er hat ein Telefon am Ohr.
    Inzwischen ist die Gruppe der Schaulustigen noch mal

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