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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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nie erlebt. Da musste er eins draufsetzen, wer wusste, wann sich diese Situation wiederholen würde. Er senkte die Stimme. „Und jetzt musst du auch noch im Regen nach Hause fahren. Wirst ganz nass … und bleibst doch unbefriedigt. Ist nicht dein Tag, hm?“
    Sinead schob wütend die Unterlippe vor und beobachtete die ersten Tropfen, die wie kleine, schwarze Perlen auf dem Lack ihres Motorrads glitzerten. Für ein paar Augenblicke schien sie mit sich zu ringen. Anhand ihrer Mimik erwartete er einen ihrer berüchtigten Tobsuchtsanfälle. Doch Sinead zwang sich mit sichtlicher Mühe um Contenance. „Vielleicht ein anderes Mal?“ Ihre so hart unterdrückte Wut reizte ihn. Man konnte ihr vorwerfen, was man wollte, nahm man etwas Tückisches an, lag man meist richtig. Eines jedoch musste man ihr lassen: Sie besaß Feuer und Jamian konnte sich ansatzweise vorstellen, wie schwer es ihr fallen musste, ruhig zu bleiben, wenn innerlich der Teufel in ihr tobte. Ihre Selbstbeherrschung war bewundernswert.
    „Ein anderes Mal ganz sicher“, beschwichtigte er sie.
    „Ich ruf dich morgen an. Ich finde, wir beide sollten mal in Ruhe ein paar Dinge besprechen.“
    Ach, wirklich? Die Neugier konnte er nicht leugnen, aber bevor er nachfragen konnte, setzte sie ihren Helm auf, startete ihr Motorrad und donnerte davon.

Jeder Engel ist schrecklich
    („Duineser Elegien “, Rainer Maria Rilke)

    Nur scheinbar entspannt schlenderte Laine in den frühen Abendstunden über die belebte High Street von Inverness. Die Luft roch nach den heftigen Niederschlägen am Nachmittag angenehm sauber und Laine sog die Würze des Regens ein, der auf den Straßen verdunstete und sich in träge dahinkriechende Nebelschwaden verwandelte. Sie flanierte an denkmalgeschützten Altbauten mit ihren vorwitzigen Erkern und Türmchen vorbei , sowie an uralten Geschäften, denen man mit verspiegelten Fenstern versucht hatte, ein moderneres Aussehen zu schenken. In dieser Stadt schmiegte sich alte Kultur eng an den Fortschritt, den Subway und McDonalds in den letzten Jahrzehnten hergebracht haben mussten. Trat man beim traditionellen Kiltmaker aus der Tür, blickte man direkt in die Schaufenster des gegenüberliegenden Ramschladens. Gut besucht waren beide Geschäfte. Vergangenheit und Gegenwart schienen sich auf überraschend harmonische Weise zu verbinden. Laine mochte Inverness.
    Aus dem Kaff Glen Mertha heraus zu sein , und kurzzeitig wieder in der Anonymität einer größeren Stadt eintauchen zu können, beruhigte ihre Nerven, auch wenn die Neonlichter und blinkenden Werbetafeln sie nach den Tagen auf dem Land noch greller blendeten, als sie es normalerweise taten. Zum Glück waren solche Störfaktoren in Inverness die Ausnahme.
    Spurlos verschwundene Menschen waren eine noch größere Ausnahme, aber immer noch weniger auffällig als in ländlichen Gegenden. Aus den Augenwinkel n sah sie sich nach einem geeigneten Opfer um. Heute wollte sie nicht schnell und zügig ihren Durst stillen. In dieser Nacht würde sie den Menschen ganz ihrem Geschmack entsprechend auswählen und sich Zeit lassen. Und töten – Laine wollte dringend jemanden finden, der es wert war, zu sterben. Sie musste sich von den Problemen ablenken, die in diesem vermaledeiten Dorf, keine sechzig Kilometer entfernt, auf sie warteten.
    Ziellos weiterspazierend zog sie sich die Kapuze ihrer Windjacke tief ins Gesicht, obgleich es schon lange nicht mehr regnete. Regen oder Kälte störten sie ohnehin nicht. Sie wollte unauffälliger sein, nicht angestarrt, am besten gar nicht wahrgenommen werden. Von niemandem aus Glen Mertha erkannt werden, der vielleicht aus einem dummen Zufall heraus in Inverness weilte. Von Zufällen hatte sie die Nase voll.
    Sie schüttelte jeden Gedanken an ihren Auftrag für diesen Abend von sich und trat näher an ein kleines, nur schwach beleuchtetes Geschäft für traditionelle schottische Trachten heran, vor dem sich eine kleine Traube Touristen versammelt hatte. Holländische Studenten, hörte Laine aus ihren Gesprächen heraus, sie rissen obszöne Witze über Männer in Röcken. Leider zu viele, als dass sie einen ohne Aufsehen hätte mit sich nehmen können, aber es war auch keiner unter ihnen, der ihr für ihre Zwecke dienlich schien.
    Diesen Menschen fand sie erst, als der Abend bereits seinem Ende zuging und Mitternacht nicht mehr fern war. Der Mann trat etwas unsicher aus dem Pub heraus, eine Wolke von alkoholgeschwängertem, frischem Schweiß umgab ihn. In

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