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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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überließ, sodass sie Ängste und Sorgen wieder sah, für die sie gern noch ein wenig länger blind geblieben wäre. Der Nachgeschmack des Blutes war ihr unangenehm, sie schob sich rasch einen Kaugummi zwischen die Zähne.
    Nun stand sie auch noch vor diesem unerfreulichen Problem mit der Leiche. Merde. Laine biss sich in den Finger und tupfte ihr Blut auf die Halswunden des Toten, worauf sich diese schlossen. Angewidert zerrte sie ihm das Hemd vom Leib und griff nach ihrem Dolch, um diesen an den richtigen Stellen in dem Körper des Leichnams versinken zu lassen. Diese Verletzungen dürften den Blutverlust erklären, auch wenn man sich natürlich fragen würde, wo der blutbesudelte Tatort war. Dass an diesem Ort zu wenig Blut im Erdreich versickert war, würde man schnell merken. Doch niemand der ungläubigen Menschen in diesem naiven Land sollte je herausfinden, was sein Blut tatsächlich verschluckt hatte.
    Niemand, außer den Kienshi natürlich. Mit dem Hemd ihres Opfers rieb sie ihr Messer ab und sah den bläulichen Mondlichtreflexionen nach, die die Klinge in die Nacht zurückwarf. Sie hing an dem alten Dolch, mochte die blutrünstige Art, mit der er zuschlug. Es hatte etwas Ehrliches , zu töten, wenn man seinem Opfer so nah sein musste, dass man sein Blut auf die Hände bekam, selbst wenn man es nicht trinken wollte.
    Warum der Wächter, Jamian, wohl einen Dolch trug? Er brachte ihm im Kampf gegen Vampire keinen Vorteil, und nötig hatte er ihn schon gar nicht. Der Wächter brauchte nichts als seine Hände, um einem Vampir das ewige Leben schneller zu nehmen, als dieser ein Ave Maria beten konnte. Schaudernd erinnerte sie sich an den Moment, als er ihres hätte nehmen können. Sie war so hilflos gewesen wie der arme Teufel, den sie gerade getötet hatte. Und wieder nagte die gleiche Frage mit stumpfen Zähnen an ihr.
    Warum hatte er es nicht getan?

    *
    „Was trinkst du, Sinead?“ Jamian wusste selbst nicht, warum er nun doch mit seiner Exfreundin im Pub saß. Gestern hatte er sie mit diebischer Freude abserviert, aber ihr heutiger Anruf war ihm zu seltsam vorgekommen, um sie nicht zu treffen. So freundschaftlich hatte er Sinead noch nie erlebt. Vor allem aber schien es ihr noch nie so wichtig gewesen zu sein, mit ihm zu reden. Er war neugierig.
    „Ale“, gab Sinead zurück, und Jamian bestellte zwei. Die Kellnerin Ellen, mit der er früher zur Schule gegangen war, zwinkerte freundlich mit beiden Augen und eilte hinter die Bar. Sie passte nicht in ihren Job, es tat ihm weh, sie so zu sehen. Damals galt sie als ehrgeiziges Mädchen, war die beste Schülerin seines Jahrgangs, intelligent, belesen , mit breit gefächerten Interessen. Und was machte sie daraus? Sie servierte Bier und Whisky im Pub ihrer Eltern, ließ sich den Hintern für ein paar Penny Trinkgeld tätscheln und wurde dabei aus Frust immer dicker. Letztlich würde sie enden wie ihre Mutter, die fett, missmutig und unzufrieden hinter ihrer Theke hockte. Dort klammerte sie sich an ein Glas, um nicht in die Träume von einem verpassten Leben abzudriften.
    „Kann übel sein, was man als Erbe hinnehmen muss“, meinte Jamian nachdenklich und ließ seinen Blick durch den muffigen Raum schweifen, der so früh am Abend noch fast leer war.
    Sinead verdrehte die Augen, aber es war keine abfällige Geste, sie wirkte mitfühlend. „Du solltest dir diese Melancholie abgewöhnen, das wird mit dem Alter sonst nur schlimmer.“
    „Nicht , dass ich noch Falten bekomme, aye?“
    Sie warf ihm eine Erdnuss an den Kopf. Für einen Moment fühlte er sich wie früher, als sie sich unbekümmert hatten treffen können. Als noch keine schwerwiegenden Entscheidungen zwischen ihnen standen, außer den Fragen: Kino oder Pub? Was trinken wir und wer fährt? Gehen wir zu dir oder zu mir?
    „Also gut.“ Er verbannte die Rückblende aus seinem Kopf. „Du wolltest so dringend mit mir reden, Sin. Über was?“
    Sineads Augen verfinsterten sich, aus Mittagsblau wurde die Farbe der Dämmerung an einem wolkenfreien Tag. Sie starrte auf den Tisch, als wären dort die richtigen Worte eingeritzt. Ungewöhnlich für eine Frau, die sich nichts daraus machte, das Falsche zu sagen. Jamian nickte Ellen dankend zu, als sie die Krüge vor ihnen auf den Tisch stellte , und nahm einen tiefen Schluck. Er ließ sich das süßmalzige Bier trotz dem Brennen des Alkohols, den seine Geschmacksnerven längst nicht mehr genießen konnten, schmecken. Kienshi waren vermutlich die einzigen

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