Stolen Mortality
den Kienshi – sich selbst diese Schuld auflud, da er glaubte, nicht aufmerksam genug gewesen zu sein. Woher hätte Rob auch ahnen sollen, dass die Partisan ausgerechnet bei seinem besten Freund sicheren Unterschlupf gefunden hatte?
Vorstoß. Drehung. Tritt. Tritt, Tritt, Tritt!
Der Schweiß durchtränkte sein Shirt und lief ihm in Strömen übers Gesicht.
Gesetze zu missachten , bedeutete nicht nur, die Anweisungen der Sesselfurzer zu ignorieren. Es konnte auch sehr schnell dazu führen, zum Verräter an Freunden zu werden. Sich schuldig zu fühlen war eine Sache. Aber Reue war eine andere Hausnummer.
Was hatte er sich von all dem versprochen? Es tat nichts zur Sache, was er gedacht hatte, denn es waren die erbärmlichen Spinnereien eines Neunzehnjährigen. Wunschdenken. Vielleicht sogar verständlich, schließlich kam er um den Umstand seines Alters nicht herum. Aber er war eben kein gewöhnlicher Junge, der sich in einer romantischen Träumerei verlieren durfte. Wie borniert war es gewesen, Junias Vorwürfe zu machen. Machte er es denn besser? Nein, wo Junias Risse im Gemäuer verursachte, schlug er selbst alles kurz und klein.
Junias saß nun zu Hause vor seinem Computer und rang vermutlich mit sich, ob er in dieser Nacht noch einen Menschen heimsuchen sollte. Jamian zuckte vor seiner eigenen Wortwahl zurück. Heimsuchen … wie ein Dämon. Aber was machte er sich vor? Was waren sie denn, wenn nicht Dämonen? Dämonen zum Schutz vor anderen Dämonen. Zum Schutz der Menschen. Doch wer schützte die Welt vor denen?
In der ländlichen Idylle fiel es nicht schwer, die Grausamkeiten der Menschheit einfach zu vergessen. Hier waren sie Menschen, hilflos und schwach. Beschützenswert. Doch irgendetwas änderte sie , machte diese harmlosen Menschen zur Menschheit , bewegte sie dazu, sich in Clans, Firmen, Völkern, Religionen, Ländern und Rassen zusammenzurotten, und sich mit ihren Mitteln und Möglichkeiten zu bekämpften. Sich gegenseitig, sowie alles um sie herum, was ihnen nicht geheuer war.
Er wusste nicht mehr, wo sie zu finden war, seine viel gepriesene Menschlichkeit. Besaßen jene, die andere in den Tod schickten, um ihre Religion zu verbreiten, oder das große Geld und noch größere Macht zu erringen, mehr davon als dieses Mädchen, das seinen Hunger an Blut stillte? Und was war mit ihm, der Menschen die Lebenskraft aus den Fasern saugte? War er besser als jemand, der andere zu seinem Vorteil ausbeutete?
Sein Sinnieren verwirrte ihn. Er sollte nicht versuchen, Laines Morde schönzureden. Damit bewegte er sich geradewegs in Richtung der Orte, an denen seine Prinzipien endgültig vernichtet werden würden. Prinzipien, die ihn von dem Monster unterschieden, das in ihm schlummerte.
Der Regen setzte ein. Endlich. Es fielen schwere, dicke Tropfen, die vom Wind herumgeschleudert wurden und aus allen Richtungen kamen. Das Wasser lief ihm über das Gesicht, tropfte aus seinen Haaren und hatte seine dünne Kleidung rasch durchdrungen. Innerhalb von Sekunden war er klitschnass. In einiger Entfernung kläffte der Fuchs. Der abebbende Todesschrei eines Tieres folgte, vermutlich eine Ratte. Dann wieder Stille.
„Eine ganze Welt voller Dämonen. Einer grausamer als der andere.“ Jamian warf den Dolch von sich, sah zum Himmel und ließ sich die schweren Tropfen ins Gesicht fallen. „Wer mag sich das nur ausgedacht haben? Und warum?“
Aus Finsternis wurde graues Zwielicht. Oberhalb der Wolkendecke schien die Sonne aufzugehen, der Regen hatte nachgelassen und war nur noch ein Nieseln, das die Farben von der Welt wusch. Jamian fand sich durchgefroren mitten in dem noch tief schlafenden Glen Mertha wieder. K ein Mensch war auf den Straßen unterwegs. Es war Samstag, da kam selbst der Zeitungsjunge erst später. Jamian fühlte sich bereits wieder ziemlich kraftlos. Er hätte sich mit dem dicken Förster am letzten Mittag doch mehr Zeit lassen sollen, dann gäbe es jetzt ein Problem weniger.
Mit mechanischen Schritten überquerte er den altertümlich gepflasterten Marktplatz und hielt langsam auf die Kirche zu, deren spitzer Glockenturm sich wie eine erhobene Klinge vor dem heller werdenden Grau des Himmels abzeichnete. Nach dem Training war er die ganze Nacht ziellos durch den Regen gestreunt. Wie kalt, ausgelaugt und müde er war, merkte er erst jetzt.
Schritte ertönten, zu leise für einen Menschen, und Jamian sah abrupt auf. An der anderen Seite des Marktplatzes huschte ein Vampir an den Häusern vorbei. Er
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