Stolz der Kriegerin
Herzschläge lang war es in dem Raum so still, dass Laisa das Wispern der Zeit zu vernehmen glaubte. Dann schüttelte Reodhil sich wie ein nasser Hund.
»Was war das eben?«
»Versetzungsmagie! Ich habe so etwas schon mehrfach erlebt. Wollen wir hoffen, dass ich dem Schurken die Kehle richtig zerfetzt habe, damit er nicht noch weiter Unheil anrichten kann!«
Laisa konnte es nicht wissen, aber ihr Wunsch ging genau so in Erfüllung, wie sie es erhoffte. Neldion von Tharalin tauchte in einem geheimen Versteck seines Ahnen Erulim auf, aber dort gab es niemand, der ihm hätte helfen können. Während er hilflos verblutete, galten seine letzten Gedanken der Tatsache, dass er nun keine weiße Schlangenheilerin mehr benötigte.
Nach Tharalins Verschwinden hielt es Reodhil nicht mehr in dessen Haus. Er befahl seinem Hofmagier, alle Artefakte aufzuspüren und zu untersuchen. »Schreibe einen Bericht für den Evari!«, setzte er noch hinzu.
Der Magier starrte ihn verwirrt an. »Aber der Herr Rhondh ist seit sechs Jahren nicht mehr gesehen worden!«
»Ich meine Khaton. Da er der einzige Evari des Westens ist, der noch aufzufinden ist, wird er sich auch dieser Sache annehmen. Das ist doch auch in Eurem Sinne, Dame Laisa?«
Laisa blickte auf die Artefakte und überlegte sich, ob sie diese nicht an sich nehmen und selbst untersuchen sollte. Allerdings fehlte ihr die dafür notwendige Ausbildung. Sie konnte zwar deren Magie bestimmen, und Khaton hatte ihr beigebracht, wie die gebräuchlichsten verwendet wurden, doch über den Aufbau und die Herkunft dieser magischen Kristalle und Gerätschaften wusste sie kaum etwas.
Daher nickte sie seufzend. »Euer Magier sollte die Dinger in Silber hüllen und sicher verwahren, bis Khaton sie holen lässt!« Sie wollte noch mehr sagen, doch da forderte Graf Klerdhil ihre Aufmerksamkeit.
»Tharalins Diener tragen zwischen ihren Schulterblättern dasselbe Zeichen wie die sechs Kerle, die den Brautzug überfallen wollten.«
»Zeigt her!« Laisa beugte sich über einen der bewusstlosen Männer und entdeckte sofort das nur wenig mehr als daumennagelgroße Zeichen. Ein normaler Mensch hätte es nicht bemerkt, und leicht magisch angehauchte Leute wie Reodhil und Klerdhil konnten nur feine Linien erkennen, ohne jedoch deren Magie zu spüren.
Laisa erfasste die magische Tätowierung jedoch in allen Einzelheiten und spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Die beiden gekreuzten Speere waren grün, das vor ihnen stehende Schwert aber blau, und jemand hatte das Zeichen so angebracht, dass die beiden Farben sich nicht berührten.
»Ich werde Khaton einen Bericht schreiben müssen. Kann ich Papier und Tinte bekommen?«, fragte Laisa Reodhil.
Der König stieß einen knurrenden Laut aus, entschuldigte sich aber, dass dieser nicht ihr gegolten hätte, sondern seinem Vetter. »Ihr erhaltet alles, was Ihr braucht. Wollt Ihr noch vor dem Mahl schreiben oder hinterher?«
Laisa horchte in sich hinein und fand, dass die Angelegenheit sie hungrig gemacht hatte. »Hinterher! Jetzt würde ich gerne meinen Magen füllen. Glaubst du, ich könnte so ein Hähnchen essen, wie du heute Morgen eines gefrühstückt hast?«
»Ich glaube, das wird sich einrichten lassen!« Jetzt lächelte Reodhil doch ein wenig, denn Laisa hatte mit ihrer Bemerkung die Anspannung gelockert, unter der er stand. Höflich bot er ihr den Arm und führte sie aus dem Pavillon.
Rongi hüpfte hinter ihnen her und zog eine trübe Miene. Er hätte auch gerne ein Hähnchen gegessen, doch in diesem Land bekam es ihm nicht.
☀ ☀ ☀
Das Essen war gut, und da Reodhil auf jede überflüssige Zeremonie verzichtete, fühlte Laisa sich recht wohl. Während der König und Graf Klerdhil über das geheime Zeichen der Gefangenen sprachen, erinnerte sie sich an die Attentäter.
»Wir sollten zusehen, dass den Kerlen diese Silberkapsel aus dem Mund genommen wird!«
Reodhil schaute sie erschrocken an, denn daran hatte er in der Aufregung auch nicht gedacht. Noch bevor er einen Befehl erteilen konnte, sprang Graf Klerdhil auf und versprach, sich darum zu kümmern.
»Tut das!«, sagte Laisa und überlegte, ob sie mitkommen sollte. Sie sagte sich dann aber, dass dies nicht ihre Aufgabe war. Für sie galt es, Prinzessin Elanah nach T’wool zu bringen. Das durfte sie über all diesen interessanten Entwicklungen nicht vergessen.
Nachdem das erste Hähnchen verspeist war, hatte sie plötzlich Appetit auf Fisch und forderte die Diener auf, ihr einen zu
Weitere Kostenlose Bücher