Stolz der Kriegerin
zugelassen! Und was war mit ihrem eigenen Körper? War er tot, oder lag er noch in jenem Tempel?
All dies beantwortete jedoch nicht die Frage, weshalb sie in einem blauen Wardan magischer Abkunft steckte und hilflos mitansehen musste, wie dieser ihren Geist mit sich in die Fremde trug.
Es dauerte ein wenig, bis Tirah diesen Schock überwunden hatte. Dann aber überlegte sie, wie sie handeln sollte. Auch wenn dies hier nicht ihr eigener Körper war, so hatte sie nicht die Absicht, sich einfach wie ein Gepäckstück mitschleppen zu lassen. Immerhin wusste sie nicht, was mit ihr geschehen würde, falls ihr Wirt zu Schaden kam oder gar starb. Nachdem sie so viele Jahrhunderte gelebt und viele Schlachten geschlagen hatte, wollte sie nicht auf eine so jämmerliche Weise enden und den Weg zu den Seelenhallen der Linirias antreten müssen.
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In den nächsten Stunden machte Tirah sich mit dem Körper ihres Wirts vertraut, tat dabei aber nichts, was diesen auf sie aufmerksam machen konnte. Noch wusste der junge Bursche nichts von ihr. Das stellte sie fest, als es ihr gelang, einige seiner Gedanken zu lesen. Zunächst wuchs ihre Sorge, als sie begriff, dass ihr Träger nicht ganz bei Sinnen war, so als hätte sein Geist bei der misslungenen Zeremonie gelitten. Dann aber begriff sie, dass dies nur von Vorteil für sie sein konnte.
Dennoch interessierte sie sich für die Herkunft ihres Wirts. Er war nur zum Teil ein Wardan, und an dem Rest seines Stammbaums hatten viele andere Völker einen Anteil, darunter sogar Kharimdh. Das war eine unangenehme Erkenntnis, denn die Geister der Herren unter dem Berg waren äußerst widerstandsfähig. Nicht umsonst sagte man den wenigen Überlebenden dieses Volkes großen Starrsinn nach. Den würde sie brechen müssen, wenn sie selbst die Herrin über diesen Körper werden wollte.
Tirah fragte sich, wie es sein würde, ein Mann zu sein. Sagen berichteten, dass die Urmütter ihres Volkes beide Geschlechter hatten annehmen können, also war es im Grunde nichts Ungewöhnliches, und sie würde damit zurechtkommen. Sie beschloss, geduldig, aber wachsam auf ihre Chance zu warten.
Nach einigem Nachdenken kam sie zu dem Schluss, dass sie ihren Wirt im Schlaf überrumpeln und niederringen musste. Zwar würde es dem jungen Mann nicht gefallen, Gefangener in seinem eigenen Leib zu sein, doch sie glaubte nicht, dass er sie an der vollständigen Übernahme hindern konnte. Zudem hatte Sirrin sich gewiss etwas dabei gedacht, ihren Geist ausgerechnet in diesen Körper zu pflanzen.
Nach einer Weile wurde ihr klar, dass der junge Bursche noch zäher war, als sie vermutet hatte, denn er machte keine Pause. Allerdings war dies hier auch nicht die Gegend, in der sie sich so ohne weiteres zum Schlafen hingelegt hätte. Seit sie sich in diesem Körper wiedergefunden hatte, waren mindestens dreimal Gegenfarben miteinander explodiert, und nun trafen dicht vor ihnen starke gelbe und violette Magieströme aufeinander. Während sie selbst erschrak und sich tief in dem blauen Körper verkroch, marschierte ihr Wirt unbeirrt weiter, so als könnten ihm die giftigen Kriegsmagie-Ausbrüche nichts anhaben.
Schließlich war aber auch seine Kraft erschöpft. Er blieb bei einer Gruppe aus wild zusammengewürfelten Felsen stehen, stieg auf den höchsten Block und schaute sich suchend um. Das Ergebnis schien ihm zuzusagen, denn er schlug an einer leicht zu verteidigenden Stelle sein Lager auf und aß etwas harten Käse und Trockenfleisch, die er mit ein paar Schlucken Wasser hinunterspülte. Anschließend nahm er ihr Schwert zur Hand, das ihm anscheinend besser dünkte als sein eigenes, und fiel von einem Augenblick zum anderen in einen leichten Dämmerschlaf, aus dem ihn jedes unbekannte Geräusch wecken konnte.
Eine gewisse magische Schulung hatte er erhalten, stellte Tirah fest und versuchte zu erkunden, welchem Training er unterworfen worden war. Das konnte für ihr weiteres Wohlergehen wichtig werden. Sie stieß jedoch nur auf Ansätze, die von zwei Seiten kamen. Die eine stammte von blauen Priesterinnen und war auf eine so seltsame Art urtümlich, dass sie unwillkürlich an die Andhirhexen dachte. Andhir war eines der wenigen blauen Länder, in denen magisch Begabte noch einen besonderen Status besaßen. Die andere Erziehung war kriegerischer Natur und dem jungen Mann weitaus stärker in Fleisch und Blut übergegangen. Wie es aussah, hatte Sirrin ihr einen Körper besorgt, mit dem sich leben ließ.
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