Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
Bruder«, sagte Caitrina tonlos.
Heftig sog Mor den Atem ein. »Oh, Mädchen!«
»Ich kann ihn nicht heiraten.«
Verständnisvoll strich Mor ihr übers Haar. »Natürlich kannst du das nicht … Wenn du es nicht willst.«
»Ich will ihn nicht heiraten. Ich verachte ihn – er ist ein Campbell. Wie kannst du nur glauben …« Caitrinas Stimme brach ab, als sie den wissenden Blick der älteren Frau auffing.
»Caitrina Lamont, ich kenne dich seit dem Tag, an dem du geboren wurdest. Ich habe gesehen, wie du den Mann ansiehst … und wie er dich ansieht.«
Eine verräterische Hitze stieg Caitrina in die Wangen, und sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und hob dann das Kinn. »Ich habe keine Ahnung, was du gesehen haben willst, aber du irrst dich.«
»Tue ich das?« Mor schüttelte den Kopf. »Ach, Caiti, wir haben ebenso wenig Kontrolle darüber, wen wir begehren, wie wir dem Regen befehlen können zu fließen oder dem Wind abzuflauen. Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, was du für den Mann empfindest.«
Caitrina verspürte einen Stich in der Brust. Mor irrte sich – dass sie sich von Jamie Campbell angezogen fühlte, war ein Verrat an ihrem Vater und ihren Brüdern. Außerdem änderte es nichts daran, wer er war. »Wie kannst du das sagen? Du weißt, wer er ist und was er getan hat!«
Mor nickte. Sie schien Caitrinas widerstreitende Gefühle zu verstehen. »Die Campbells sind ein übler, Ländereien stehlender Haufen, und wenn man die Männer, die deinen Vater angriffen, hängen, strecken und vierteilen würde, dann brächte mich das nicht um meine selige Nachtruhe. Aber ich glaube nicht, dass Jamie Campbell irgendetwas damit zu tun hatte. Er ist Argylls Mann – das ist natürlich ein Punkt, der gegen ihn spricht –, aber er empfindet etwas für dich. Und das kann dir zu deinem Vorteil gereichen. Das, was der Mann dir anbietet, lässt sich nicht einfach abschlagen. Die Campbells sind ein mächtiger Clan, und vielleicht ist eine Verbindung
mit ihnen durch Heirat der beste Weg, die Lamonts zu beschützen. Darüber hinaus hast du ohne diese Ehe vielleicht keine andere Möglichkeit, Ascog zurückzubekommen.«
Sosehr Caitrina es auch hasste, dies so deutlich zu hören, sprach Mor doch nur laut aus, was Caitrina selbst dachte. Er hatte sie in die Ecke gedrängt und ließ ihr keine Fluchtmöglichkeit. Wenn sie ihn zurückwies, wies sie die Pflicht ihrem Clan gegenüber zurück.
Wie sie es schon einmal getan hatte. Ihr Vater hatte sie gedrängt, Jamie Campbells Antrag in Betracht zu ziehen, aber sie war zu selbstsüchtig gewesen – weil sie den schützenden Schoß ihrer Familie nicht verlassen wollte.
Wären die Dinge anders verlaufen, wenn sie seinen Antrag angenommen hätte? Diese Frage schmerzte zu sehr, um überhaupt darüber nachzudenken.
Sie hatte in ihrer Pflicht dem Clan gegenüber schon einmal versagt; das könnte sie nicht erneut tun. Wenn es eine Möglichkeit gab, das zu schützen, was von ihrer Verwandtschaft übrig geblieben war, und Ascog ohne Blutvergießen wiederzuerlangen, dann musste sie diese Möglichkeit ergreifen.
Jamie Campbell wusste das genauso gut wie sie.
Mor, die Caitrinas quälende Gedanken spürte, nahm sie sanft und liebevoll in die Arme, und getröstet schloss sie die Augen und fühlte, wie sich ihre Entschlossenheit stärkte, während der Wind über sie hinwegblies und den würzigen Geruch des Meeres mit sich trug.
Langsam löste sich Caitrina aus der Umarmung und richtete den Blick erneut hinaus auf die wogenden dunkelblauen Wellen und den Schatten der Isle of Bute, die langsam im orangefarbenen Glühen des dunkler werdenden Himmels verschwand.
»Was wirst du tun?«, fragte Mor.
»Was ich tun muss. Was könnte ich denn sonst tun?«, entgegnete Caitrina, und ihre Stimme war hart wie die glänzenden,
zerklüfteten Felsen, die die Küste wie poliertes Ebenholz säumten.
Sie würde tun, was ihre Pflicht war, doch eines Tages würde Jamie Campbell es bereuen, sie so gezwungen zu haben. Sie würde ihm ihren Körper geben, aber sie würde ihm niemals gehören.
Alles, was von ihrem Herzen übrig war, lag tief begraben im Sand, zusammen mit dem zerschlissenen Stück Plaid ihres Vaters.
11
S ie heirateten an dem Sonntag vier Tage später – zwei Tage nachdem Alasdair MacGregor und seine Männer, begleitet von Jamie und ihrem Onkel, sich dem Earl of Argyll auf Dunoon ergeben hatten.
Als Bedingung für ihre Einwilligung blieb Caitrina die Gegenwart des
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