Stolz und Verfuehrung
vollkommene Dunkelheit hinter sich zurück.
»Hadley!!« Noch nicht einmal ihr selbst blieb das verzweifelte Entsetzen in ihrer Stimme verborgen. Aber der restliche Appell erstarb ihr auf den Lippen, als der Lichtstrahl noch einmal kurz aufblitzte und sie einen Blick auf Hadleys Konturen werfen konnte, als der Mann in den entfernten Tunnel einbog.
Das Licht wurde schwächer und schwächer, bis er verschwunden war.
Die Dunkelheit schien noch schwärzer.
Em schlang einen Arm um jedes Mädchen, zog sie dicht an sich, und kämpfte darum, ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Sie schluckte. Sog die Luft tief in die Lungen, noch einmal ... und zwang sich zum Ausatmen. »Wir müssen hier raus.«
»Aber wir können doch nichts sehen«, wisperte Bea.
»Nein, das können wir nicht.« Em zwang sich zu einem zuversichtlichen Tonfall. »Aber ich weiß, in welcher Richtung der Tunnel liegt.« Es stimmte; der Tunneleingang war geradeaus vor ihnen. »Kommt mit. Wir müssen nur einen Fuß vor den anderen setzen, dann werden wir zum Durchlass gelangen.«
Em wagte einen Schritt vorwärts und stieß mit dem Fuß gegen die erloschene Laterne. »Wartet.« Sie bückte sich und hob die Laterne auf, die stabil und mit einem eisernen Untersatz versehen war. Wenn sie ihnen auch kein Licht mehr spenden konnte, so fühlte Em sich mit dem metallenen Gegenstand in der Hand doch ein wenig besser. »Gut so. Gertie, du bleibst an dieser Seite und Bea an der anderen. Klammert euch an meinen Röcken fest. So könnt ihr mir überallhin folgen. Haltet euch direkt hinter mir. Stellt euch einfach vor, wir würden eines eurer Spiele spielen.«
»Na gut«, meinte Bea, »aber die Dunkelheit gefällt mir nicht.«
Em hasste die Dunkelheit, verabscheute sie, war zutiefst entsetzt - aber ihr blieb keine Zeit für diese alte Angst. Ihr Leben -ihrer aller Leben - hing davon ab, dass sie kühlen Kopf bewahrte. Und das würde sie auch tun.
Jetzt lag ein ganz neues Leben vor ihnen. Denn sie hatten Menschen gefunden, die sie liebten und von denen sie geliebt wurden. Em hatte nur noch eins im Sinn, nämlich dafür zu sorgen, dass sie beides behielten. Und das wiederum hieß, einen Weg aus der Höhle zurück ins Tageslicht zu finden.
»Lasst uns gehen.« Noch nicht einmal diese uralte Angst in ihr konnte sie daran hindern, Jonas wiederzusehen, in seinen Armen zu liegen, ihn zu küssen und von ihm gehalten zu werden - von ihm beschützt und geehrt und geliebt zu werden. Em setzte einen Fuß direkt vor den anderen. Wiederholte die Übung. Eine Hand streckte sie nach vorn, um zu verhindern, dass sie an eine der Säulen stieß, die sich zwischen ihnen und dem Ausgang befanden. Wie sie um das Säulendickicht herumnavigieren und danach wieder auf den richtigen Weg finden sollte, wusste sie noch nicht. Aber sie schritt entschlossen vorwärts.
Setzte einen Schritt vor den anderen.
Nach etwa zwanzig Schritten waren sie am Dickicht angekommen. Em versuchte sich daran zu erinnern, wie viele Säulen es gegeben hatte und in welchem Abstand sie sich zum Tunneleingang befanden, als ein kühler Luftzug über ihr Gesicht strich.
Nur wie ein schwaches Wehen, ein zarter Hauch. Aber die Luft in der Höhle war ansonsten so ruhig und gleichmäßig temperiert, dass der kühle Hauch auffiel.
Em hielt inne, fragte sich, ob sie sich den Luftzug nur eingebildet hatte. Aber dann war der kühle Hauch wieder da, reizte ihre durch die Dunkelheit geschärften Sinne immer deutlicher. Sie lächelte, trotz allem. »Mädchen, könnt ihr die Brise auch spüren?«
Es verging ein Moment, bevor Em merkte, dass beide nickten.
»Es kommt aus dem Durchgang.« Sie vermutete, es käme aus dem Durchgang; es gab andere Möglichkeiten. Aber sie sah keinen Nutzen darin, sich näher darauf einzulassen. Soweit sie es beurteilen konnte, drang der sanfte Luftzug aus dem Tunnel, der zum Gewölbe führte. Das klamme Entsetzen in ihrem Nacken lockerte den Griff. »Wir müssen nur dem Luftzug entgegengehen. Kommt mit.«
Mit gewachsener Zuversicht und einer Hand, die ebenso emsig wie unsicher den Bereich vor ihrem Körper abtastete, führte Em ihre Schwestern um die rutschigen Säulen herum, zurück auf den schmalen Pfad und weiter der frischen Brise entgegen.
Noch immer kamen sie nur qualvoll langsam voran. Obwohl die Brise ihnen die Richtung vorgab, mussten sie sich weiterhin Schritt für Schritt vortasten. Das galt sowohl für die Mädchen als auch für sie.
Ungeachtet ihrer Entschlossenheit lastete die
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