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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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wie Gordon Finch zu einer Gruppe älterer Fakultätsmitglieder sprach. Finchs Gesicht war verzerrt, und er spuckte auf den Boden, wenn er von den ›Hunnen‹ redete. Als er dann später in dem großen Büro, das sich ein halbes Dutzend jüngerer Dozenten teilte, auf Stoner zukam, war die Stimmung wieder umgeschlagen. In hektischer Jovialität klopfte er Stoner auf die Schulter.
    »Das können wir denen doch nicht durchgehen lassen, Bill«, brach es aus ihm heraus. Wie ein Ölfilm glitzerte der Schweiß auf seinem runden Gesicht, und das dünne blonde Haar klebte ihm in dünnen Strähnen am Kopf. »Nein, Sir. Ich melde mich freiwillig. Mit Sloane habe ich bereits geredet, und er meinte, ich könne gehen. Also fahre ich morgen nach St. Louis und lasse mich rekrutieren.« Für einen Augenblick gelang es ihm, seinem Gesicht den Anschein von Ernsthaftigkeit zu verleihen. »Wir müssen schließlich alle unseren Teil leisten.« Dann grinste er und schlug Stoner erneut auf die Schulter. »Komm doch am besten gleich mit.«
    »Ich?«, fragte Stoner und dann noch einmal ungläubig: »Ich?«
    Finch lachte. »Na klar. Alle melden sich. Ich habe gerade mit Dave geredet – er kommt auch.«
    Wie betäubt schüttelte Stoner den Kopf. »Dave Masters?«
    »Sicher. Der alte Dave redet manchmal ein bisschen wirr, aber wenn es hart auf hart kommt, steht er seinen Mann und leistet seinen Teil. Genau wie du, Bill.« Finch boxte ihm auf den Arm. »Genau wie du.«
    Stoner schwieg einen Moment. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, sagte er schließlich. »Mir geht das alles viel zu schnell. Ich muss erst mit Sloane reden und sage dir dann Bescheid.«
    »Natürlich«, erwiderte Finch. »Du leistest schon deinen Teil«, setzte er dann mit belegter Stimme hinzu. »Das hier stehen wir gemeinsam durch, Bill, wir alle gemeinsam.«
    Stoner verließ Finch, ging aber nicht gleich zu Archer Sloane, sondern fragte stattdessen auf dem Campus nach David Masters und fand ihn schließlich in der Bibliothek, wo er allein in einem Lesekabinett hockte, seine Pfeife qualmte und auf ein Bücherregal starrte.
    Stoner setzte sich ihm gegenüber auf den Schreibtisch, und als er ihn gefragt hatte, ob er wirklich zur Armee gehen wolle, antwortete Masters: »Aber sicher, warum nicht?«
    Als Stoner dann noch nach dem Warum fragte, sagte Masters: »Du kennst mich ziemlich gut, Bill. Mir sind die Deutschen scheißegal. Und ich fürchte, wenn ich drüber nachdenke, dann liegt mir an den Amerikanern auch nicht besonders viel.« Er klopfte die Pfeifenasche auf dem Boden aus und verrieb sie mit dem Schuh. »Letzten Endes mache ich es wohl nur, weil es nicht darauf ankommt, ob ich es mache oder nicht. Außerdem könnte es doch ganz amüsant sein, noch einmal die Welt zu sehen, ehe ich in diese Klostermauernund zu dem langsamen Untergang zurückkehre, der uns hier alle erwartet.«
    Obwohl Stoner ihn nicht verstand, nickte er und akzeptierte, was Masters sagte. »Gordon meint, ich solle mich mit euch melden.«
    Masters lächelte. »Gordon fühlt zum allerersten Mal den Überschwang der Tugend, und natürlich möchte er den Rest der Welt daran teilhaben lassen, damit er weiterhin glauben kann. Klar. Warum nicht? Komm mit. Es könnte dir gut tun, die Welt einmal zu sehen, wie sie in Wirklichkeit ist.« Er schwieg und schaute Stoner aufmerksam an. »Aber falls du dich dazu entschließt, dann um Himmels willen nicht wegen Gott, Vaterland und der lieben, alten Alma Mater. Tue es um deiner selbst willen.«
    Stoner hielt einen Augenblick inne, bevor er sagte: »Ich rede mit Sloane und lasse es dich dann wissen.«
    Er wusste nicht, wie Archer Sloanes Reaktion ausfallen würde, dennoch wurde er überrascht, als er ihn in seinem engen, von Büchern gesäumten Büro aufsuchte und von der Entscheidung erzählte, die er noch nicht endgültig getroffen hatte.
    Sloane, der ihm gegenüber stets eine Haltung distanzierter, höflicher Ironie gewahrt hatte, platzte der Kragen. Das schmale, hagere Gesicht lief puterrot an, und die Falten um beide Mundwinkel vertieften sich vor Wut, als er sich mit geballten Fäusten halb aus dem Sessel erhob. Dann ließ er sich wieder sinken, öffnete bedächtig die Hände und legte sie auf die Schreibtischplatte; die Finger zitterten, die Stimme aber war rau und fest.
    »Ich muss Sie bitten, meine plötzliche Erregung zu verzeihen, doch habe ich in den letzten Tagen fast ein Drittelder Fakultätsmitglieder verloren und sehe keine Möglichkeit, sie zu

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