Stoner: Roman (German Edition)
Glücks war, von der Art Leben, das sie führen würden. Doch redete er nicht weiter. Er hatte auf Horace Bostwicks Gesicht einen Ausdruck solcher Sorge, Verzweiflung und beinahe Furcht entdeckt, dass er überrascht verstummte.
»Nein«, warf Horace Bostwick hastig ein, und seine Miene klärte sich. »Sie haben mich missverstanden. Ich wollte lediglich versuchen, Ihnen gewisse … Schwierigkeiten … darzulegen, die in Zukunft auf Sie zukommen könnten. Aber ich bin mir sicher, ihr jungen Leute habt diese Dinge ausgiebigbesprochen, und ich denke, Sie konnten sich bereits Ihre Meinung bilden. Ich respektiere Ihr Urteil und …«
Damit war es abgemacht. Es wurden noch einige Worte gesagt, und Mrs Bostwick fragte sich laut, wo Edith nur während all der Zeit geblieben war. Mit ihrer hohen, schrillen Stimme rief sie laut den Namen ihrer Tochter, und wenige Augenblicke später betrat Edith das Zimmer, in dem sie alle auf sie warteten. Sie sah Stoner nicht an.
Horace Bostwick sagte, er und der ›junge Mann‹ hätten ein nettes Gespräch geführt und dass sie beide, er und ihre Mutter, ihnen ihren Segen gaben. Edith nickte.
»Und nun«, sagte die Mutter, »müssen wir Pläne schmieden. Eine Hochzeit im Frühjahr. Oder vielleicht im Juni.«
»Nein«, sagte Edith.
»Wie bitte, Liebes?«, fragte ihre Mutter sanft.
»Wenn es denn sein soll«, sagte Edith, »dann soll es möglichst rasch geschehen.«
»Die Ungeduld der Jugend«, sagte Mr Bostwick und räusperte sich. »Aber möglicherweise hat deine Mutter recht, mein Liebes. Es gilt Pläne zu machen, und dafür ist Zeit vonnöten.«
»Nein«, sagte Edith erneut, und in ihrer Stimme schwang eine Festigkeit mit, die sie alle zu ihr hinüberblicken ließen. »Es muss bald sein.«
Darauf herrschte Stille. Dann sagte ihr Vater in überraschend gutmütigem Ton: »Also schön, mein Liebes. Wie du willst. Ihr jungen Leute habt wohl eure eigenen Pläne.«
Edith nickte, murmelte etwas von einer Arbeit, die sie zu erledigen habe, und schlüpfte aus dem Zimmer. Stoner sah sie erst zum Abendessen wieder, über das Horace Bostwick in herrschaftlichem Schweigen präsidierte. Nach dem Essenspielte Edith Klavier, doch spielte sie steif und schlecht und machte viele Fehler. Dann erklärte sie, sie fühle sich nicht wohl, und zog sich auf ihr Zimmer zurück.
Im Gästezimmer in jener Nacht konnte William Stoner nicht schlafen. Er starrte ins Dunkel, staunte darüber, welch seltsame Entwicklung sein Leben genommen hatte, und fragte sich zum ersten Mal, ob das, was er vorhatte, wirklich vernünftig war. Bei dem Gedanken an Edith fühlte er sich jedoch ein wenig beruhigt und sagte sich, dass sich gewiss alle Männer so unsicher fühlten, wie er es plötzlich geworden war, und dass sie wohl die gleichen Zweifel hegten.
Am nächsten Morgen musste er mit einem frühen Zug zurück nach Columbia, weshalb nach dem Frühstück nur noch wenig Zeit blieb. Er wollte die Straßenbahn zum Bahnhof nehmen, aber Mr Bostwick bestand darauf, ihn von einem der Dienstboten im Landauer fahren zu lassen. Edith würde in einigen Tagen Näheres über die Hochzeitspläne schreiben. Stoner dankte den Bostwicks und wünschte ihnen Lebwohl; sie begleiteten ihn und Edith bis zur Haustür. Er hatte schon fast das Gartentor erreicht, als er eilige Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich um. Es war Edith. Steif und hochgewachsen stand sie vor ihm, das Gesicht blass, und sah ihn direkt an.
»Ich will versuchen, dir eine gute Frau zu sein, William«, sagte sie. »Ich will es versuchen.«
Ihm fiel auf, dass er zum ersten Mal, seit er zu den Bostwicks gekommen war, mit dem Vornamen angesprochen worden war.
IV
AUS GRÜNDEN, DIE EDITH ZU ERKLÄREN SICH WEIGERTE , wollte sie nicht in St. Louis heiraten, weshalb die Hochzeit in Columbia stattfand, und zwar in jenem großen Salon von Emma Darley, in dem sie ihre ersten gemeinsamen Stunden verbracht hatten. Es war Anfang Februar, gleich nach Beginn der Semesterferien. Die Bostwicks nahmen den Zug von St. Louis, und Williams Eltern, die Edith noch nicht kannten, verließen ihre Farm und kamen am Samstagnachmittag an, einen Tag vor der Hochzeit.
Stoner wollte sie in einem Hotel unterbringen, doch zogen sie es vor, bei den Footes zu wohnen, obwohl die Footes sich kalt und abweisend verhalten hatten, seit William nicht mehr für sie arbeitete.
»Wüsste nicht, wie man sich in einem Hotel benimmt«, sagte sein Vater ernst. »Und die Footes können uns ruhig für eine
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