Stoner: Roman (German Edition)
Nacht bei sich aufnehmen.«
Am Abend mietete William einen Einspänner und fuhr mit den Eltern in die Stadt zu Emma Darleys Haus, damit sie Edith kennenlernen konnten.
An der Tür begrüßte sie Mrs Darley, die Williams Eltern mit kurzem, verlegenem Blick musterte und sie dann ins Wohnzimmer bat, wo sie sich so vorsichtig setzten, als fürchteten sie, sich in ihren steifen neuen Kleidern zu bewegen.
»Ich weiß nicht, wo Edith nur bleibt«, murmelte Mrs Darley nach einer Weile. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen.« Sie ging aus dem Zimmer zu ihrer Nichte.
Nach längerem Warten kam Edith schließlich. Zögerlich trat sie ins Wohnzimmer, widerstrebend, mit einer Art verängstigtem Trotz.
Man erhob sich, stand mehrere Augenblicke zu viert verlegen da und wusste nicht, was sagen. Dann trat Edith steif vor und gab erst Williams Mutter, dann seinem Vater die Hand.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Letzterer höflich, während er ihre Hand wieder losließ, als fürchtete er, sie zu zerbrechen.
Edith blickte ihn an, versuchte zu lächeln und wich zurück. »Setzen Sie sich doch«, sagte sie. »Bitte, setzen Sie sich.«
Sie setzten sich. William sagte irgendwas. Er fand, seine Stimme klang angespannt.
Als spräche sie einen Gedanken laut aus, sagte seine Mutter leise und wie erstaunt in die Stille: »Du meine Güte, sie ist ein schönes Ding, nicht?«
William lachte kurz und sagte sanft: »Ja, Ma, das ist sie.«
Danach fiel ihnen die Unterhaltung ein wenig leichter, auch wenn sie sich weiterhin nur hastige Blicke zuwarfen, um gleich darauf irgendwo ins Zimmer zu starren. Edith murmelte, sie freue sich, sie zu sehen, und es tue ihr leid, dass sie sich nicht schon früher kennengelernt hätten.
»Wenn wir uns eingerichtet haben …« Sie schwieg, und William fragte sich, ob sie den Satz zu Ende sprechen würde. »Wenn wir uns eingerichtet haben, müssen Sie uns mal besuchen kommen.«
»Danke, sehr nett von Ihnen«, erwiderte seine Mutter.
Das immer wieder von langem Schweigen unterbrochene Gespräch zog sich hin, und Edith wurde zunehmend nervös. Ein-, zweimal antwortete sie nicht auf eine Frage, die ihr jemand gestellt hatte. Schließlich erhob William sich, und auch seine Mutter blickte sich unruhig um und stand auf. Nur sein Vater rührte sich nicht. Er sah Edith offen an und ließ seinen Blick lange auf ihr ruhen.
Dann sagte er: »William ist immer ein guter Junge gewesen. Und ich bin froh, dass er eine gute Frau gefunden hat. Ein Mann braucht eine Frau, die sich um ihn kümmert und ihm Trost spendet. Seien Sie nur gut zu William. Er sollte wirklich jemanden haben, der gut zu ihm sein kann.«
Wie im Schock zuckte Ediths Kopf mit weit aufgerissenen Augen vor; und einen Moment lang dachte William, sie wäre wütend. Doch das war sie nicht. Sein Vater und Edith schauten sich lange an, die Blicke unverwandt.
»Ich werde es versuchen, Mr Stoner«, sagte Edith. »Ich werde es versuchen.«
Da stand sein Vater auf, verbeugte sich unbeholfen und sagte: »Es wird spät; wir machen uns besser auf den Weg.« Und er ging mit seiner formlosen, neben ihm klein aussehenden dunkelhaarigen Frau zur Tür und ließ Edith und seinen Sohn allein zurück.
Edith sagte kein Wort. Doch als William sich ihr zuwandte, um ihr eine gute Nacht zu wünschen, sah er Tränen in ihren Augen. Er beugte sich vor, küsste sie und spürte die fragile Kraft ihrer schlanken Finger auf seinen Armen.
*
Schräg fiel das kalte, klare Licht des Februarnachmittags durch die Vorderfenster des Hauses Darley und wurde von den Gestalten gebrochen, die sich im großen Salon bewegten. Neugierig standen seine Eltern allein in einem Zimmerwinkel; die erst eine Stunde zuvor mit dem Frühzug eingetroffenen Bostwicks standen neben ihnen, ohne sie anzusehen; Gordon Finch wanderte gewichtig und so besorgt umher, als führte er die Aufsicht über irgendwas; und es gab einige Leute, Freunde von Edith oder ihren Eltern, die er nicht kannte. Er hörte sich mit Gästen reden, spürte, wie seine Lippen lächelten, und vernahm Stimmen, die wie durch Stofflagen gedämpft zu ihm drangen.
Gordon Finch stand an seiner Seite; über dem dunklen Anzug glühte das verschwitzte Gesicht. Er grinste nervös. »Alles klar, Bill?«
Stoner merkte, wie sein Kopf nickte.
Finch sagte: »Hat der Verurteilte einen letzten Wunsch?«
Stoner lächelte und schüttelte den Kopf.
Finch klopfte ihm auf die Schulter. »Bleib einfach in meiner Nähe und tu, was ich dir sage; alles ist
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