Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
Vom Netzwerk:
nutzte, und kaufte sich einen tragbaren Heizkörper, um die Kälte ein wenig zu mindern, die abends durch die dünne Bretterverschalung drang. Nachts schlief er in eine Decke gewickelt auf dem Sofa im Wohnzimmer.
    Nach einigen Monaten relativen, wenn auch unbequemen Friedens fand er, wenn er nachmittags von der Universität nach Hause kam, immer öfter ausrangierte Haushaltsgegenstände – kaputte Lampen, zerschlissene Decken, kleine Truhen und Kisten mit irgendwelchem Tand – achtlos in jenem Raum abgestellt, der jetzt als sein Arbeitszimmer diente.
    »Im Keller ist es zu feucht«, sagte Edith, »da sind die Sachen gleich ruiniert. Es macht dir doch nichts aus, wenn ich sie eine Weile hier abstelle, oder?«
    An einem Nachmittag im Frühling kehrte er während eines heftigen Unwetters heim, um festzustellen, dass eine der Glasscheiben zerbrochen war und der Regen mehrere Bücher beschädigt sowie einige seiner Notizen unleserlich gemacht hatte; wenige Wochen später kam er nach Hause und fand heraus, dass es Grace und einigen ihrer Freundinnen erlaubt worden war, in seinem Zimmer zu spielen, wobei mehrere Notizblätter und die ersten Seiten des Manuskripts seines neuen Buches zerrissen worden waren. »Ich habe sie nur ein paar Minuten hereingelassen«, sagte Edith, »aber irgendwo müssen sie ja spielen. Ich hatte doch keine Ahnung. Du solltest ein ernstes Wort mit Grace reden. Schließlich habe ich ihr oft genug gesagt, wie wichtig dir deine Arbeit ist.«
    Da gab er auf. So viele Bücher wie nur möglich stellte er in seinem Büro unter, das er mit drei jüngeren Dozenten teilte, und verbrachte danach jene Zeit, die er zuvor daheim verbracht hatte, überwiegend in der Universität. Früh kam er nur noch nach Hause, wenn seine Einsamkeit und das Verlangen, ein Wort mit seiner Tochter zu reden oder auch nur einen flüchtigen Blick auf sie zu werfen, es ihm unmöglich machten, noch länger fortzubleiben.
    Im Büro hatte er allerdings bloß Platz für wenige Bücher, und die Arbeit am Manuskript wurde oft unterbrochen, da ihm die notwendigen Texte fehlten; außerdem besaß einer seiner Bürokollegen, ein ernster junger Mann, die Angewohnheit, für den Abend Treffen mit seinen Studenten anzuberaumen. Das Gezischel ihrer unterdrückten Gespräche war im ganzen Raum zu hören und lenkte ihn dermaßen ab, dass es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren. Schließlich verlor er das Interesse an seinem neuen Buch; die Arbeitdaran verlangsamte sich, bis sie bald ganz zum Erliegen kam, und ihm wurde klar, dass sie für ihn zur Zuflucht geworden war, zu einem Vorwand, sich zurückzuziehen und abends ins Büro zu kommen. Er las und arbeitete jedoch weiterhin und fand in dem, was er tat, zu guter Letzt sogar ein wenig Trost, ein wenig Vergnügen, gar einen Hauch der alten Freude, da er sich bildete, ohne damit einen bestimmten Zweck zu verfolgen.
    Edith hatte in der Bevormundung ihrer Tochter und der besessenen Sorge um Grace etwas nachgelassen, sodass das Kind gelegentlich wieder lächelte und sich manchmal beinahe entspannt mit ihm unterhielt. So fand er es möglich zu leben und auch, glücklich zu sein, jedenfalls dann und wann.

IX
    DER INTERIMSVORSITZ DES ENGLISCHEN FACHBEREICHS , den Gordon Finch seit dem Tod von Archer Sloane innehatte, wurde Jahr für Jahr erneuert, bis sich die Mitglieder der Fakultät schließlich an jene lässige Anarchie gewöhnt hatten, die irgendwie dafür sorgte, dass Seminare anberaumt und unterrichtet, neue Mitarbeiter eingestellt, die trivialen Details des Fachbereichsbetriebs erledigt wurden und ein Jahr aufs andere folgte. Man ging allgemein davon aus, dass der Vorsitz dauerhaft neu besetzt werden würde, sobald Finch Dekan des Fachbereichs Kunst und Wissenschaften werden konnte, eine Stellung, die er de facto, aber nicht offiziell innehatte. Josiah Claremont drohte, niemals zu sterben, auch wenn man ihn nur noch selten über die Flure wandern sah.
    Die Mitglieder des Fachbereichs gingen ihrer Wege, hielten Vorlesungen, die sie schon im Jahr zuvor gehalten hatten, und besuchten sich zwischen den Seminaren gegenseitig in ihren Büros. Formell trafen sie nur zu Beginn eines jeden Semesters zusammen, wenn Gordon Finch ein allgemeines Fachbereichstreffen einberief, sowie dann, wenn ihnen der Dekan des Graduiertenkollegs Aktennotizen schickte, in denen er sie bat, für die älteren Semester, die kurz vor Abschluss ihres Studiums standen, mündliche und schriftliche Prüfungen anzusetzen.
    Solche

Weitere Kostenlose Bücher