Sträfliche Neugier
Max.
»Ist vielleicht nicht so wichtig. Wenigstens haben wir
jetzt auch die anderen Stoffe gefunden. Kosten wir doch mal von der Substanz D1 «,
schlug Claudia vor. »Vielleicht ist das die Richtige.«
Max schüttelte den Kopf. »Ach, ich weiß nicht so recht. Was
passiert, wenn wir tatsächlich die Verkleinerungstinktur erwischen und dann
kleinschrumpfen? Wir wären als Winzlinge doch ganz nackt, unsere Kleidung kann
ja wohl nicht mitschrumpfen. Und würden wir jemals wieder normalgroß? Stell dir
vor, wir blieben lebenslang so winzig wie Ameisen. Nein, Claudia, wir sollten
diesen verrückten Gedanken endgültig fallen lassen.«
»Vielleicht hast du ja recht. Aber trotzdem möchte ich
einen nochmaligen Versuch wagen«, sagte Claudia trotzig. »Du kannst mich ja
retten, wenn dann was schief läuft.«
»Na gut, wenn du unbedingt das Risiko eingehen willst! Ich
will dir den Spaß nicht verderben und mache mit. Ich hoffe nur, dass wir das
nie bereuen müssen.«
Jeder schluckte nun fünf Tropfen der violetten Flüssigkeit
aus der Ampulle D1 .
»Pfui«, rief Claudia entsetzt, »das ist ein genauso
widerliches Zeugs! Brrh!«
Auch Max verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und sagte:
»Ich möchte wissen, was sich der Doktor dabei gedacht hat. Das stinkt wirklich
wie Scheiße!«
Aber auch nach Einnahme dieser Tropfen geschah nichts. »Das
hatte ich mir gleich gedacht, dass so etwas nicht funktionieren kann und bin
wirklich froh deswegen«, sagte Max.
»Ich eigentlich auch«, meinte Claudia.
Schon nach wenigen Tagen, kurz bevor die Eltern
zurückkehrten, verschwanden alle Krankheitssymptome so plötzlich wie sie
aufgetaucht waren. Es war wie ein Wunder. Max allerdings war der Meinung, dass
ihr Immunsystem allein mit den Giftstoffen aus der Ampulle K1 fertig
wurde.
Heimlich deponierten sie die Schatulle in der Dachkammer.
Dort fanden sie ein besseres Versteck als im Keller, nämlich oberhalb eines
Dachquerbalkens. Später einmal wollten sie sich intensiv mit den
Hinterlassenschaften ihres Doktor Hokuspokus befassen. Den kleinen
gelben Zettel mit den sonderbaren Buchstaben und Zahlen verwahrte Claudia in
ihrer Geldbörse. Aber nach und nach vergaßen sie den Doktor Curtius und seine silberne
Schatulle.
>>>zurück zum Anfang dieses Kapitels
>>>zurück zur Übersicht
8
Lebensläufe
G eorg
und Henriette Berger verbrachten einen Kurzurlaub in der Karibik. Claudia und
Max hatten es abgelehnt, sie zu begleiten, sie fühlten sich nicht mehr wie
kleine Kinder, die noch mit Erwachsenen verreisen. Und das war ihr Glück: Der
Lufthansa-Jet, mit dem die Eltern den Rückflug antraten, stürzte unmittelbar
nach dem Start über der Karibik ab. Doch davon später.
Für die Großeltern Ernst und Maria Berger bedeutete der Tod
ihres Sohnes einen schweren Verlust. Die alten Leute besaßen zwar ein eigenes
Haus in der Nähe, hatten aber darauf gebaut, später in die geräumige
Mansardenwohnung im Dachgeschoss des Apothekenhauses einzuziehen, um ihre
letzten Lebensjahre bei Kindern und Enkeln zu verbringen. Diese Hoffnung war
nun wie eine Seifenblase geplatzt, Beide starben kurz hintereinander; der
Kummer über den Tod ihrer Kinder hatte ihnen allen Lebensmut genommen.
Das Amtsgericht stellte die Berger-Kinder unter Kuratel,
ihr persönlicher Vormund stimmte ihrem Umzug ins Haus der Großeltern zu. Sie
hatten nicht länger mehr in dem jetzt viel zu großen Elternhaus bleiben wollen.
Da ihre Eltern und Großeltern testamentarisch alles geregelt hatten, waren sie
finanziell gut gestellt. Ihr Vormund leitete den Verkauf der Schloss-Apotheke
samt Wohnhaus an den Apotheker Ludwig Herzog in die Wege, der bisher mit seiner
Frau Cornelia und den Kindern Thomas und Beate schräg gegenüber gewohnt hatte.
Max hatte nach dem Realschulabschluss eine Lehre als
Automechaniker absolviert und arbeitet seitdem in einem Burgstädter Autohaus.
Der 22-Jährige war wie seine Schwester noch ungebunden. Beide führten gemeinsam
ihren kleinen Haushalt und konzentrierten sich ganz auf ihr berufliches
Fortkommen. Max hatte beschlossen, die Meisterprüfung abzulegen um dann einen
eigenen Kfz-Reparaturbetrieb zu gründen.
Claudia traf sich gelegentlich mit ihren Schulfreundinnen
Alice Kästner und Bettina Gruber, bis Alice von ihren Eltern eine zweijährige
Haflingerstute geschenkt bekam. Von nun an machte sich Alice rar und hatte
nichts anderes als ihr Pferd im Kopf. So blieb Claudia als Freundin nur noch
Bettina, die gerade eine
Weitere Kostenlose Bücher