Strafzeit
aus seinem Opel heraus. Ehe Hubertus sichs versah, hatten sie schon den Hegaublick hinter sich gelassen. Es war trotz der Kälte ein ausgesprochen schöner und klarer Abend. Im hellen Mondschein waren nicht nur die Alpenkette und der majestätische Säntis schemenhaft zu sehen, sondern auch das spiegelnde Wasser des »Schwäbischen Meeres« in der Ferne. So hatte der Volksmund den Bodensee getauft, obgleich er ja teilweise auch ein badisches Gewässer war.
Hubertus erinnerte sich daran, wie er und Elke gemeinsam mit der Clique zum ersten Mal nachts – und nackt natürlich – im Bodensee gebadet hatten. Mit einer Kiste Bier und einem Zelt waren sie nach dem Abitur mit seinem VW-Käfer Richtung See getuckert.
Er seufzte leise.
Fast hätte er die Abendstimmung genossen, hätte Klaus nicht gerade wieder zu einem seiner abenteuerlichen Beschleunigungsmanöver auf der A 81 angesetzt. Zwischen Gaspedal und Fahrzeugboden passte nun kein Haar mehr. Das steile Gefälle in Richtung Engen sorgte für zusätzliche Stundenkilometer.
Hubertus redete, um seine Nervosität zu überbrücken: »Kollege Ziegler wusste übrigens zu berichten, dass Mielke was mit der Frau von Kirk Willy gehabt hätte.«
Klaus blickte ihn an, ohne den Fuß auch nur einen Zentimeter vom Gas zu nehmen.
Hubertus wurde es himmelangst. »Verdammt, hier könnte es glatt sein!«
Riesle richtete den Blick zwar wieder auf die Straße, gab aber stoisch Bleifuß: »Quatsch, wir haben doch schon April. Woher will Ziegler das mit Willy denn wissen?«
»Von einem Ravensburger Fan, der wohl öfter in Schwenningen ist. Er hat im Stadion mit ihm geredet. Leider weiß er seinen Namen nicht.«
»Soll das heißen, diese Casinospur führt deiner Meinung nach in die falsche Richtung, und wir sollen lieber Kirk Willy genauer unter die Lupe nehmen?«
Hummel zögerte. Eigentlich freute er sich auf den Casinoabend. Und wie viel die Leute tratschten, hatte er ja erst wieder morgens auf dem Markt erleben können. Nein, sich in der Konstanzer Spielbank zu informieren konnte kein Fehler sein.
»Wir sollten keine Spur außer acht lassen und in alle Richtungen ermitteln«, bemühte Hummel daher einen Spruch, den er mal in einer Krimiserie aufgeschnappt hatte.
Riesle fuhr von der Autobahn ab, drosselte das Tempo aber nur unwesentlich. In seinem Wagen jenseits des Tempolimits umherzurasen war für ihn der Inbegriff von Freiheit und Abenteuer – zumindest die baden-württembergische Variante davon.
»Wir horchen uns heute also mal im Casino um – und morgen fahren wir mit Ziegler nach Ravensburg zum zweiten Play-off-Spiel und suchen mit ihm diesen Informanten. Der wird ja wohl auch wieder da sein, wenn er ein wirklicher Fan ist«, fasste Riesle zusammen.
Hummels rechte Hand umklammerte den Haltegriff noch fester. Hier auf der B 33 wirkte Riesles Tempo noch bedrohlicher als auf der Autobahn.
»Erstens wird das Spiel sicher schon lange ausverkauft sein – und zweitens glaube ich nicht, dass sich Ziegler noch einmal in ein Eisstadion setzt. Schon mal etwas von einem Trauma nach solchen Ereignissen gehört?«
Riesle war um die Antwort nicht verlegen. »Drittens bist du ein alter Schwarzseher, viertens bin ich bei der Presse und schinde daher Freikarten raus, und fünftens lassen wir uns dann eben eine genaue Beschreibung dieses Informanten geben. Notfalls finden wir ihn auch ohne Ziegler.«
»Vermutlich hatte dieser Fan einen blau-weißen Schal um – dann kommen nur noch achtzig Prozent der Leute infrage«, meinte Hubertus ironisch.
Jetzt blieb Klaus die Replik schuldig, denn er bog mit stattlicher Geschwindigkeit auf den Casinoparkplatz ein.
Neben den vielen prächtigen Autos wirkte sein Kadett beinahe kümmerlich. Doch auch einige Normalverdiener schienen das samstagabendliche Spielvergnügen zu genießen. Und eine ganz andere Gruppe: Irritiert betrachteten Hummel und Riesle vier schwere Motorräder, auf denen ähnlich schwere Männer saßen. Ihre Kutten wiesen sie als »Blue Heroes« aus – und zwar des Chapter Lake Constance.
Hubertus musterte die Gestalten mit üppigem Bart- und Haarwuchs misstrauisch bis ängstlich. »›Blue Heroes‹«, meinte er dann. »Klingt fast wie ein Eishockeyverein. Passt zu den Schwenninger ›Wild Wings‹ und den Ravensburger ›Tower Stars‹ – sogar die gleichen blau-weißen Vereinsfarben.«
Riesle grinste schief. »Die würden aber ständig Matchstrafen kassieren«, widersprach er. »Das sind richtig heftige Rocker. Mit
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