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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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faselten sie Zeug wie »Wir müssen alle irgendwann gehen« oder »Jedem schlägt einmal sein Stündchen« . Kennedy ging davon aus, dass Leute, die so einen verbalen Dünnschiss verzapften, entweder a) fünfzehn oder b) geistig zurückgeblieben waren. »Hört zu!«, wollte er ihnen ins Gesicht schreien. »Das ist kein Witz. Es ist die gottverdammte Realität, ihr bescheuerten Idioten. So sieht’s nun mal aus!« Er wünschte, er hätte sich während des Fluges noch einen Scotch reingeknallt oder sich auf dem Weg hierher einen Flachmann besorgt.
    Kennedy näherte sich dem Ende der Station. Er sah Patrick am Fußende eines Bettes sitzen und zwang seinem Gesicht einen Ausdruck fröhlicher Überraschung auf. Sein Bruder winkte ihm zu. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Kennedy trat um den Vorhang herum, und da lag sie. Schon sein Anblick reichte aus, um ihre Miene aufzuhellen. Lächelnd sagte sie: »Mein Sohn …«
    Sein erster Gedanke war: Sie hat sich gar nicht verändert. Das Haar war etwas grauer, das Gesicht ein wenig runzliger, die Wangen ein bisschen eingefallener, aber eigentlich …
    Seine Mutter streckte ihm eine Hand entgegen. Der Arm war ein Pfeifenreiniger, ein winterlicher Zweig, die Venen und Arterien standen hervor, blau auf weiß. Aus Schnüren waren Kordeln und schließlich Seile geworden.
    Seile, Gerry. Gute Seile.
    »Mum«, sagte Kennedy und nahm sie in den Arm. Es war, als würde man in Erwartung des Gewichts der Schläger eine Golftasche anheben, um dann überrascht festzustellen, dass die Tasche leer war. Er lockerte seine Umarmung aus Angst, seine Mutter könnte zu Staub zerfallen. »Jesus Maria, wir sollten dich wohl dringend zum Essen ausführen«, probierte er es mit einer lockeren Bemerkung. O Gott, wie sehr sie körperlich abgebaut hat! Und diese Schuldgefühle, diese unsäglichen Schuldgefühle.
    »Sehr komisch.«
    »Patrick«, sagte er, ging ums Bett herum und umarmte ihn. Sein Bruder wirkte ebenfalls gealtert. Sein Haar war zwar noch nirgends grau, sein Dreitagebart allerdings schon. Und die Ringe unter den Augen. »Es tut mir wirklich leid«, flüsterte er seinem Bruder ins Ohr und zog sich einen Plastikstuhl ans Bett.
    »Jetzt bist du ja hier.« Patrick schien sich aufrichtig zu freuen – trotz allem, was passiert war.
    Womit hatte er die Liebe und Zuneigung dieser Menschen verdient, so wie er mit ihnen umsprang?
    »Wie geht es deiner Kleinen?«, fragte seine Mutter.
    »Robin? Ihr geht es prächtig, Mum.«
    »Wenn ich’s recht bedenke, dann ist sie gar nicht mehr so klein, was? Sie dürfte inzwischen eine richtige junge Frau sein.«
    »Und ob. Sie sieht ihrer Mutter jeden Tag ähnlicher.«
    »Oh, sie hat auch genug von dir abbekommen. Mach dir darüber mal keine Sorgen. Und wie geht’s Millie?«
    »Bestens.«
    »Weißt du, dass die beiden mich im Sommer besucht haben? Sie wollten für ein paar Tage runter an die Westküste.«
    »Das hat sie mir erzählt. Und wie fühlst du dich, Mum?«
    »Ein klein bisschen mü…« Sie versuchte, sich in den Kissen aufzustützen und zuckte zusammen.
    »Mum?«
    »Mir geht’s gut. Ich bin nur etwas müde.«
    Auf der Station herrschte ein ständig an- und abschwellender Geräuschpegel: das leise Rumoren der Gespräche, das Kommen und Gehen der Besucher und irgendwo das Klappern eines zu Boden gefallenen Resopal-Tabletts.
    »Findest du denn hier überhaupt genug Ruhe, um zu schlafen, Mum?«, fragte Kennedy. »Können wir dich denn nicht in ein Privatzimmer verlegen?« Er sah Patrick an. »Oder in ein ander…«
    »Und was sollte ich in einem Privatzimmer anstellen? Herumliegen und die Wand anstarren? Hier herrscht immerhin etwas Leben. Bis letzte Woche lag im Bett gegenüber eine sehr nette Dame. Rosie. Leider ist sie jetzt …« Sie führte den Satz nicht zu Ende. »Aber lass uns nicht über mich reden. Wie ist es dir ergangen? Gefällt es dir, wieder hier zu sein?«
    »Es ist ganz in Ordnung. Ich hab ziemlich viel um die Ohren. Du kennst das ja.«
    »Wie kommst du mit deinem neuen Film voran? Der mit dieser hübschen Kleinen?«
    Er dachte an Julie Teal. An die glitzernden Rundungen ihres eingeölten Hinterns unter ihm. »Ganz gut. Na ja, um ehrlich zu sein, scheint er mir nichts als Ärger einzubrocken, aber damit komme ich zurecht.«
    »Sie ist vermutlich nicht ganz einfach, oder?«, fragte Patrick.
    »Das kannst du laut sagen.«
    »Du wirst aber doch dafür bezahlt, oder?«
    Er lachte. »Ja, Mum. Und wie ich bezahlt werde.«
    »Oh, das ist

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