Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
die komplette Rechnung. Bevor er sich in derartiger Kleinkrämerei erging, würde er sich den Schwanz abschneiden und ihn auf den Tisch werfen. Ach was. Das würde schon alles glimpflich ausgehen. Braden gefiel es eben, Panik zu schüren. Kennedy blickte sich um. Der Sonnenschein. Die Palmwedel. Der Verkehr. Er fühlte sich wirklich wohl hier. Sein Platz war immer schon hier gewesen. Noch einmal betrachtete er das Pärchen in dem Bentley. Die Frau auf dem Beifahrersitz war vielleicht dreißig, gut aussehend, mit prallem Dekolleté. Ihrer eng ansitzenden Jogginghose nach zu urteilen, kam sie gerade aus dem Fitnessstudio oder vom Yogakurs. Der Fahrer war, wie konnte es anders sein, deutlich älter als sie, um die fünfzig, ein zauseliger alter Filou mit silberner Mähne und einer schweren goldenen Rolex am Handgelenk.
    In Beverly Hills begegnete Kennedy ständig solchen Männern. Bauchansatz, graues Haar und einen lichten Schweißfilm auf ihrer hohen Stirn, trampelten sie vom Haus zum Carport und glitten hinter die Lenkräder ihrer schweren Kutschen oder protzigen Oldtimer. Er sah sie bei Bristol Farms ihre Steaks kaufen oder traf sie bei Ivan’s im Humidor. In mehr als fünfzig Prozent der Fälle stöckelte ein sechsundzwanzigjähriges Mädel in Hotpants und T-Shirt affektiert vor ihnen her und füllte den Einkaufswagen mit Endivien, Blattsalat, Radicchio, Sojasprossen und Champagner.
    Im Urlaub saß Kennedy zwischen ihnen auf dem Flug nach Hawaii. Diese Leute waren seinesgleichen. Er war einer von ihnen. Die Mädchen waren glücklich und aufgeregt, angetörnt vom Alkohol und der ersten Klasse. Und warum auch nicht, mit sechsundzwanzig? Wenn man noch vollkommen unschuldig war. Wenn der Schmerzkatalog noch eine Serviettenkritzelei war und nicht das vollgeschriebene Buch, das später daraus werden würde. Dieser russische Roman.
    Die Männer dagegen starrten missmutig in ihre GQs , auf ihre Monitore und ihre testosterongeschwängerten Thriller. Die Mädchen befanden sich noch ganz am Anfang der Achterbahn. Sie waren nervös, wenn die Schienen unter ihnen zu klacken begannen, wenn sie den Scheitel des Zughügels erreichten. Das Kribbeln im Bauch, das Blau um sie herum, alles war aufregend und berauschend. Die Männer, diese alternden Halunken, sie donnerten auf das Ende zu, ratterten in die letzte Kurve hinein. Und was tat man dann?
    Man schrie.
    Sie alle hatten sich an der Liebe vergangen, diese Männer. Hatten sich alle an ihr versündigt, und jetzt zahlten sie die Zeche dafür. In teuren Hotelsuiten hatten sie Kraftausdrücke und den Namen des Erlösers in die Hochglanzschulterblätter der Prototypen jener Mädchen gestöhnt, mit denen sie nun durch die Gänge und Auslagen von Bristol Farms und Ivan’s bummelten. Von den Displays stummgestellter iPhones und BlackBerrys mussten die Fotografien ihrer Frauen und Kinder schweigend mit ansehen, wie ihre Gatten und Väter auf fremden Laken unsagbare Frevel begingen. Am Telefon hatten sie ihren Frauen von Konferenzen und Terminen erzählt, während neben ihnen im Bett diese Mädchen schliefen – eine Patina aus getrocknetem Sperma auf ihren gebräunten Flanken. Auf den Flügen nach Hause suhlten sie sich in den Liegesesseln von First- und Business-Class, gierten nach den Beinen der Stewardessen, löschten Textnachrichten, E-Mails und Anrufprotokolle, legten sich Lügen und die Haare zurecht.
    Aber die Liebe hatte sie aufgespürt. Sie hatten die Herzen jener gebrochen, die ihnen bedingungslos vertrauten. Jetzt erwachten sie des Nachts schwitzend und schreiend aus ihren Albträumen, und ihre Stimmen hallten durch große, leere Häuser. Keine Ehefrau zog sie in ihre Arme und flüsterte: »Schhh, ist doch nur ein Traum. Schlaf wieder ein.« Die einzigen Worte, die sie von dieser Stimme jetzt noch zu hören bekamen, dieser Stimme, die ihnen einst so süße Dinge zugeflüstert hatte, waren Forderungen. Worte, die von Geld und Fristen sprachen. Davon, was ihnen zustand und wann es ihnen zustand. Worte von Sorgerecht und Betreuungspflicht. Worte des Hasses. Diese Worte waren das Gegenteil von Liebe.
    Und schließlich, im milchigen Licht der Dämmerung, wenn die Nacht ihr übles Werk an ihnen verrichtet hatte (Oh, diese Nächte!, dachte Kennedy. Diese beschissenen Nächte!), kamen keine Kinder zu ihnen ins Bett gehüpft. Für jeden Geschiedenen mittleren Alters, der seine Kinder nicht täglich sah, gab es nichts Schmerzhafteres als die Tatsache, dass man ihre Gesichter nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher