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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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anstarrten. Weil er zu spät war? Wegen seiner Romane? Oder einfach, weil er etwas zwischen seinen Beinen mit sich herumtrug? Etwas, das in ihren Augen mindestens so gefährlich wie ein Schlachtermesser und ein Paar Handgranaten war? Wer wusste das schon?
    »Hallo, zusammen«, flötete Kennedy.
    »Na schön«, sagte Janet barsch, »dann lasst uns loslegen.«
    »Wenn ich vorher bitte noch kurz zur Toilette könnte«, erwiderte Kennedy.
    »Ähm, zur Toilette?«, wiederholte Willow und klang dabei, als hätte Kennedy sie gebeten, ihr in den Mund kacken zu dürfen.
    »Die ist ganz da hinten«, erklärte Janet. »Durchs Lager. Und wir sind schon verdammt spät dran.« Sie wies auf die vielleicht zweihundert plappernden Zuschauer.
    »Hören Sie …«, Kennedy überlegte. Es war doch bloß ein kurzes Grußwort. »Das bla-bla-bla-Magazin nannte sie bereits eine bla-bla-bla, ich halte ihre Gedichte für bla-bla-bla, bitte begrüßen Sie mit mir …« Der ganze Zauber würde keine zwei Minuten dauern, danach würde er zur Toilette flitzen, sich durch die Hintertür in die Bar auf der anderen Straßenseite absetzen, sich dort rasch ein paar Drinks hinter die Binde kippen, rechtzeitig zu Wein und geselligem Beisammensein zurück sein, Saskia anbieten, sie mit nach Uptown zu nehmen, und sie unterwegs zum Essen einladen. Bei Dan Tana’S hatte er noch immer einen Tisch bekommen. Danach würden sie zu ihm fahren, und ruckzuck wäre die Sache geritzt. »Na gut, also los«, sagte Kennedy.
    Er folgte Saskia und Janets fettem Arsch die Treppe hinauf. Und was das für ein Arsch war. Das Ding sah aus, als hätte jemand die Flanken zweier Kühe zusammengebunden. Kennedy trat ins Licht des Scheinwerfers, und die bittere Erkenntnis haute ihn fast von den Beinen.
    Ein Tisch.
    Zwei Stühle.
    Zwei Mikrofone.
    Ach du Scheiße. Wurde von ihm etwa erwartet …?
    »Ähm, entschuldigen Sie bitte.« Er drehte sich um und versuchte, der hinter ihm stehenden Willow etwas ins Ohr zu flüstern. »Gehen Sie davon aus, dass ich …«
    »Schhh«, zischte sie entrüstet und presste einen Finger gegen die Lippen. Denn Janet hatte bereits zu reden begonnen. Sie nannte seinen Namen, und noch während der Applaus aufbrandete, wurde er auf die Schlachtbank geschoben.
    »Guten Abend, meine Damen und Herren«, sagte Kennedy und nahm seinen Platz ein. Der Druck auf seiner Blase drohte die Pisse durch die Poren und bis in seinen gottverdammten Schädel zu pumpen. »Es ist mir eine große Freude …«
    Rein theoretisch betrachtet hatte er schon deutlich schlimmere Situationen überstanden. Aber nicht oft – und nicht in jüngster Zeit. Nach seiner ausgesprochen knappen Einführungsrede versuchte er, sich von der Bühne zu stehlen, wurde dabei allerdings von Janet und Willow gestellt, deren grimmig verschränkte Arme und finstere Gesichter ihm wohl verdeutlichen sollten, was für einen Affront er damit begehen würde. Kaum hatte er sich wieder auf seinen Stuhl fallen lassen, hörte er Saskia die schrecklichen Worte »Das folgende Gedicht ist ziemlich lang« sagen.
    Und mit seiner kurzen Begrüßung hatte er reichlich danebengelegen. Meilenweit daneben. »Meine Damen und Herren?« Falls hier irgendwelche Herren anwesend waren, dann gaben sie sich nicht als solche zu erkennen. Denn vor ihm tat sich ein Meer, ein Ozean aus Lesben auf.
    Gegen die Gestalten in der ersten Reihe wirkten Janet und Willow wie eingeölte, Stilettos und Tangas tragende Stars einer Fernsehserie namens Die Nutten-WG . Einige von ihnen sahen aus wie in Kartoffelsäcke und Stacheldraht gehüllt. Kennedy hätte es nicht weiter verwundert, wenn sie Pfefferspraydosen als Ohrringe getragen hätten. Viele von ihnen waren identisch gekleidet: Sie trugen grobe Jeans, Stiefel, rabiate Undercuts mit Seitenscheitel und diese Schals, wie die afghanischen Taliban sie bevorzugten. Kennedy fragte sich, ob es bei Zusammenkünften wie dieser wohl Momente gab, in denen sie einander ansahen und bei sich dachten: »Heilige Scheiße, ich bin ja ein Klon .« Allerdings musste er zugeben, dass man auch die weißen Hemden, Jeans, Sakkos, Budapester und Rolex-Uhren, die er und seine Freunde zur Schau stellten, wenn sie schulter- und schenkelklopfend auf der Terrasse des Soho House abhingen, als Uniformen sehen konnte.
    Ein nicht geringer Teil des Publikums geiferte Saskia – deren Brüste sich prall unter ihrer dünnen Baumwollbluse abzeichneten – unverhohlen an, wie sie gurrend die gefühlt siebzehnte Strophe

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