Straight White Male: Roman (German Edition)
1991), Auf geschlagenen Flügeln (Cronulla Independent Press, 1993) und Ruchlos (unveröffentlicht, 1997). Gut, eigentlich waren es dreieinhalb: Etwas mehr als vierzigtausend Wörter eines noch unbetitelten Werks schlummerten in den Eingeweiden eines alten Dell-PCs, der sich bei ihm zu Hause in einer Ecke seines Arbeitszimmers unter einem Stapel von Vorlesungsskripten versteckte. Was Erwähnungen in der Presse betraf, so hatte Drummond es auf ganze fünf Kritiken gebracht: Vier behandelten sein bei einem Großverlag erschienenes Debüt, und eine – im Fachmagazin des Buchhandels – beschäftigte sich mit dem Folgewerk. Zwei der Texte zeigten präzise auf, was in seinen Romanen schieflief: Es passierte eigentlich nichts. Der Mann hatte offensichtlich noch nie von Raymond Chandlers Maxime »Im Zweifel lass zwei Kerle mit Pistolen durch die Tür hereinkommen« gehört oder sie ganz bewusst durch das Motto »Im Zweifel beschreib einfach in tausend Worten die Beschaffenheit einer Resopal-Tischplatte oder lass eine der Figuren einen fünfseitigen inneren Monolog über ein belangloses Ereignis in seiner Kindheit halten« ersetzt. Die nackten Fakten sprachen für sich: Kennedy Marrs Gesamtwerk – sechs Romane und ein Band mit Kurzgeschichten – hatte mehr als fünf Millionen Exemplare verkauft, wovon fast die Hälfte auf das Konto von Undenkbar ging, das sich inzwischen in der fünften oder sechsten Auflage befand. Seine Bücher waren in achtundzwanzig Sprachen übersetzt worden. Dennis Drummonds veröffentlichte Romane – beide längst vergriffen – hatten zusammengenommen siebenhundert Einheiten verkauft. Sie waren in zwei Sprachen erschienen: Englisch und Lettisch. Die Veröffentlichung in Lettland war das Ergebnis eines kuriosen Zufalls: Sein Agent kannte jemanden, der wiederum jemanden kannte, der dort bei einer staatlich geförderten Zeitung beschäftigt war. Insgesamt hatte er dort knapp dreihundert Pfund umgesetzt – von denen zumindest einhundertfünfzig Pfund auf seinem Konto gelandet wären, wenn sein Roman den winzigen Vorschuss wieder eingespielt hätte. Unnötig zu erwähnen, dass dies nicht geschehen war.
Er blätterte durch die Seiten der Pressemappe, auf der Suche nach einem Interviewzitat, an das er sich noch schwach erinnerte und das er der Sammlung von unmissverständlichen Kennedy-Marr-Zitaten in seinem Notizbuch hinzufügen wollte.
Keine beneidenswerte Position für einen Schriftsteller wie Dr. Drummond.
Er hatte seine Chance gehabt. Aus den Abermillionen von Manuskripten, die rund um den Globus jedes Jahr unverlangt eingereicht wurden, war seines von einem großen Verlag ausgewählt worden. Er hatte das Gefühl freudiger Erregung erleben dürfen, das ein Autor verspürt, wenn er zum ersten Mal ein gebundenes Exemplar seines eigenen Romans aus dem Luftpolster-Kuvert zieht und mit der Hand vorsichtig über den Schutzumschlag streicht – ebenjenes Exemplar übrigens, das nun hinter ihm im Regal stand und dort exakt in Augenhöhe eines potenziellen Besuchers positioniert war. Er hatte mal einen Agenten gehabt. Was er geschrieben hatte, sein Blick auf die Welt, seine Vorstellung davon, wie wir reden, denken und interagieren, war auf den Markt gekommen. Und die Kundschaft dieses Marktes – die Öffentlichkeit – hatte mit einem schallenden »Nein danke, brauchen wir nicht« darauf geantwortet. Am Marktstand von Kennedy Marr dagegen wurde man dem Andrang kaum noch Herr, fuchtelte mit Geldscheinen über den Köpfen herum und brüllte Bestellungen. Dort rauften die Leute sich um die letzten paar Exemplare, und überanstrengte Sanitäter trugen in Ohnmacht gefallene Frauen davon. Am Stand von Kennedy Marr war rund um die Uhr Weihnachtsabend auf der Oxford Street. Bei Drummond hingegen herrschte ewiger Juli, und er hatte nichts als warme Pullover im Angebot. Die größte aller Demütigungen schien ihm aber der Veröffentlichungstermin von Undenkbar zu sein: nämlich 1997, und damit exakt das Jahr, in dem Drummonds dritter und bisher letzter Roman von sämtlichen Verlagen abgelehnt worden war. Beim Durchblättern der Pressemappe fiel ihm noch eine weitere grausame Parallele ins Auge. Darüber, dass er der jüngste Autor war, der es je auf die Shortlist des Booker Prize geschafft hatte, war Kennedy vermutlich etwa zur selben Zeit informiert worden, zu der Drummond von seinem Agenten zu einem armseligen Glas Bier ins Pillars of Hercules auf der Greek Street eingeladen worden war, bloß um dort zu
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