Straight White Male: Roman (German Edition)
liegst?«
»Ich war nicht stockbesoffen.«
Doch Millie hatte den Zeitungsartikel bereits nach dem entsprechenden Absatz durchsucht. »In den frühen Morgenstunden zog sich das Paar stark alkoholisiert in eine dreitausendfünfhundert Pfund teure Suite zurück.«
»Die müssen das so schreiben.«
»Ich wusste, es war eine schlechte Idee, dass du hierher zurückkommst. Verdammte Scheiße, ich hab’s genau gewusst. Du führst dich jetzt seit fast zwanzig Jahren so auf. Wann wirst du endlich erwachsen?«
»Wie hat Robin reagiert?«
»Sie hat bloß gelacht und so was wie ›Dad ist ja echt krass drauf‹ gesagt. Aber was glaubst du wohl, wie sie sich tief in ihrem Innern fühlt?«
»Ich … ich mach das wieder gut bei ihr.«
»Da gibt es nichts wiedergutzumachen. Für sie bist du bloß ein peinlicher Fremder. Eine Witzfigur.«
»Bitte sag so was nicht. Ich …«
Kennedy setzte sich aufs Sofa. Scheiße, er fühlte sich wie der letzte Idiot. In den Zeitungen waren auch noch andere Bilder von Julie Teal zu sehen. Aufgenommen gestern Nachmittag, während sie die Reporter auf dem Weg zum Tennis mit Phrasen wie »Kein Kommentar« oder dem obligatorischen »Wir sind nur gute Freunde« abkanzelte. Tennis? Das verdammte Wort bloß auszusprechen brachte ihn an den Rand der Ohnmacht. Kokain war definitiv etwas für junge Leute.
Von der Bar strahlte ihn eine Flasche Stoli an, und hinter der Glastür des Kühlschranks lockte eine große Tüte Tomatensaft. Vielleicht hatten sie in der Mensa ja Sellerie? Sämtliche Zutaten für eine vernünftige Bloody Mary. Das könnte ihm helfen, die verdammte Seminargruppe zu überstehen.
»Ich … ich rufe sie nachher an.«
»Du bist jetzt seit fast zwei Monaten wieder hier. Du hast immer noch nicht deine Mutter besucht, und deine Tochter behandelst du so . Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass man zu Sex auch Nein sagen kann? Oder dass man einfach mal auf den letzten Drink verzichtet? Ich habe immer geglaubt, aus dir könnte noch mal ein halbwegs vernünftiger Mensch werden, wenn du erst mal erwachsen wirst. Aber es ist einfach, wie es ist, nicht wahr? Du wirst dich nie ändern. Du bist und bleibst ein versoffener, narzisstischer … Halbstarker .«
»Ein Halbstarker? «
Passierte das wirklich? Ausgerechnet jetzt? Ja, sie zog das durch. Das volle Programm. Menschen, die selbst kein Problem mit dem Alkohol hatten, konnten unglaublich unsensibel sein, was die Tagesform derer betraf, die eines hatten. Ganz gleich, ob es sich um jene Stunden handelte, in denen man gerade betrunken war und deshalb kein Interesse an irgendwas von dem hatte, was sie zu sagen hatten. Oder um die Stunden – in seinem Alter eher Tage als Stunden –, in denen man so müde und verkatert war, dass man es nicht ertrug, dem zuzuhören, was sie einem zu sagen hatten. Sie machten einfach immer weiter. Erzählten dir ein paar ihrer unbequemen Wahrheiten. Hier ein »Was ich dir noch sagen wollte«, dort ein »Oh, und übrigens«. Und natürlich »Klar, es ist nie der passende Zeitpunkt, um mit dir zu reden, deshalb werde ich jetzt darüber reden«. Kannten diese Menschen denn überhaupt kein Mitgefühl? Keinen Anstand?
»Ja, Kennedy, ein verdammter Halbstarker. Du siehst das natürlich anders. Bloß weil es dir gelingt, die Welt jeden Tag für ein paar Stunden auszusperren und etwas zusammenzuschreiben, das bei anderen Menschen den Wunsch erweckt, die Seite umzublättern oder die nächste Szene zu sehen. Nur weil du eine gewisse Gabe fürs Erzählen hast, hältst du den Rest der Menschheit für bloße Kulisse, den nötigen Hintergrund für deine glorreichen Abenteuer. Tja, soll ich dir sagen, was du wirklich bist?«
» NEIN! « Kennedy versuchte, sich die Fäuste in die Ohren zu stopfen, als Millie ihm zu Leibe rückte.
»Du bist ein trauriger, alternder Alkoholiker, der alleine sterben und erst dann vielleicht erahnen wird, wie viel er weggeworfen …«
» KANNST DU BITTE ENDLICH AUFHÖREN! «, brüllte er. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Er nahm ab. »Ja? Hallo, Angela. M-mmm. In Ordnung. Sagen Sie ihm, ich bin in einer Minute da. Und wenn Sie zufällig in die Mensa gehen, könnten Sie vielleicht fragen, ob es wohl noch etwas Sell…« Er betrachtete Millie, die unfassbar empört vor ihm stand, die Arme vor der Brust verschränkt, die Zeitung immer noch in der geballten Faust. »Lassen Sie’s gut sein. Danke.« Er legte den Hörer auf. »Der Dekan will mich sprechen.«
»Ich bin mir sicher, er
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