Straight White Male: Roman (German Edition)
möchte dir für die ausgezeichnete Publicity danken, die du dieser Universität einbringst.«
»Hör zu, Millie, es tut mir aufrichtig leid.« Kennedy ließ sich wieder aufs Sofa sacken und zuckte dabei zusammen wie ein Achtzigjähriger mit Arthritis in sämtlichen Gliedern, der sich in ein viel zu heißes Bad sinken lässt. »Ich rufe Robin nachher an und entschuldige mich bei ihr. Ich mach’s wieder gut.«
»Ach, fick dich doch ins Knie.« Sie warf die Zeitung nach ihm und ging zur Tür.
»Millie?«, rief er ihr hinterher.
Mit der Klinke in der Hand drehte sie sich zu ihm um. »Was?«
Er sprach leise, eine Hand auf der Stirn, die Augen geschlossen. »Hältst du es für möglich, wirklich nur rein theoretisch, dass der Grund, warum dich das alles so wütend macht, vielleicht gar nichts mit Robin zu tun hat? Sondern damit, dass du dir insgeheim wünschst, ich würde mich ändern, weil du immer noch mit mir zusammen sein willst?«
Sie starrte ihn einige Sekunden lang an. »Ich halte es für möglich – und zwar alles andere als insgeheim –, dass du jetzt endgültig wahnsinnig geworden bist.«
Mit einem Knall zog sie die Tür hinter sich zu. Im selben Augenblick klingelte erneut sein Handy. Spenglers Büro. Schon wieder. Himmel noch mal. Er warf das Telefon in den Papierkorb, wo es blechern weiterklingelte.
Auf dem Papier, dachte er zum zigsten Mal, sollte doch eigentlich alles gut sein. Eigentlich müsste doch alles prima für ihn laufen. Viel Geld, ein interessanter, glamouröser Job und haufenweise begehrenswerte Frauen, die sich zu ihm hingezogen fühlten. Und dennoch schien er in einer sehr überzeugenden Reproduktion der Hölle gelandet zu sein. Offenbar hatte er ein ausgeprägtes Interesse daran, ja, er befand sich auf einer regelrecht fanatischen Mission, sein Leben so schwierig wie irgend möglich zu gestalten. Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass man zu Sex auch Nein sagen kann? Kennedy dachte ernsthaft über diese Frage nach. Hatte er tatsächlich jemals einen Fick abgelehnt? Irgendwann musste er das doch sicher mal getan haben? O ja, damals … obwohl … eine Chance verstreichen zu lassen, weil sich dadurch eine bessere ergab, zählte vermutlich nicht.
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Wieder kam der Anruf von Angelas Apparat. Kennedy nahm den Hörer ab. »Ich bin schon unterwegs!«
»Nein, nein. Schon gut. Er hat Verständnis für Ihre Unpässlichkeit. Aber der Dekan möchte gern wissen, ob Sie in der ersten Dezemberwoche Zeit für eine Dinnerparty hätten, bei ihm zu Hause. Ich glaube, es ist der Montag.«
»Ich … Montagabend? Ich schätze schon. Wer kommt denn noch?«
»Kann ich noch nicht sagen.«
»Mmm.« Sein Blick fiel auf die Überschrift der auf dem Boden liegenden Zeitung. »Ja. In Ordnung. Sagen Sie ihm, ich komme.«
Hin und wieder kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht glücklicher und womöglich alles unproblematischer wäre, wenn er einfach kurzen Prozess machen und sich unters Messer legen würde. Hatte Kingsley Amis nicht gesagt, der Verlust des Sexualtriebs sei in gewisser Hinsicht eine Erleichterung gewesen? Dass es sich angefühlt habe, als sei man »fünfzig Jahre an einen Irren gekettet« gewesen? Oder James Lees-Milne, der sich mit siebzig Jahren die Eier hatte entfernen lassen, aus Angst vor Prostatakrebs. Was hatte er seinem Tagebuch anvertraut? Dass seine Kastration seinen Charakter auf unerwartete, vorteilhafte Weise hatte reifen lassen und es ihm erlaubte, die Dinge objektiver zu beurteilen, ungetrübt von Lust und Verlangen? Und Oscar Wilde – wer sonst kannte sich mit dem Kampf gegen die eigenen Dämonen aus? – hatte gesagt, dass Tugend weiter nichts sei als die »Abwesenheit von Versuchung«.
All die Stunden, all die zahllosen Stunden, die er mit Trinken, Small Talk und Drogen verbracht hatte, anstatt zu lesen, zu denken und zu arbeiten . Alles nur wegen eines beknackten Zuckens zwischen seinen Beinen. Wenn man schon alleine die mit Onanieren verbrachte Zeit berücksichtigte …
Kennedy begann zu rechnen: Angenommen, er brauchte im Schnitt fünf Minuten – sicher, manchmal war er nach höchstens einer Minute fertig, aber es gab auch diese spektakulären Wichs-Epen, die nicht selten zehn bis fünfzehn Minuten dauerten – und besorgte es sich mindestens zehnmal die Woche. Natürlich gab es Tage völliger Abstinenz, etwa wenn ein wichtiges Date bevorstand oder ihn die Grippe plagte, aber demgegenüber standen eben auch Tage, an denen er
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