Straight White Male: Roman (German Edition)
zwei-, drei- oder sogar viermal aktiv wurde. Scheiße, es hatte Tage gegeben – in seiner Teenagerzeit oder wenn ihn ein heftiger Kater plagte –, an denen kam er sogar auf fünf- oder sechsmal. Zehnmal die Woche war ein guter Durchschnitt. Zehnmal fünf Minuten waren fünfzig Minuten. Fünfzig multipliziert mit vier ergab eine monatliche Gesamtzeit von zweihundert Minuten oder etwas über drei Stunden. Drei Stunden multipliziert mit zwölf ergab einen jährlichen Schnitt von sechsunddreißig Stunden. Im Alter von vierzehn hatte er begonnen, also vor dreißig Jahren. Er fischte das iPhone aus dem Papierkorb, öffnete die Taschenrechner-App und tippte mit zitternden Fingern drauflos.
Dreißig multipliziert mit sechsunddreißig ergab eine lebenslange Karrierestatistik von …
… eintausendundachtzig Stunden reinen Onanierens.
Für den ersten Entwurf eines Romans brauchte er – wohl eher: hatte er gebraucht – etwa sechs Monate, in denen er fünf Tage die Woche jeden Morgen vom Frühstück bis zum Lunch schrieb. Also vier Stunden am Tag nach Abzug sämtlicher Ablenkungen und Unterbrechungen. Zwanzig Stunden die Woche. Sechs Monate lang achtzig Stunden im Monat waren vierhundertachtzig Stunden. Erneut tippte er auf den Taschenrechner ein, dividierte eintausendundachtzig Stunden durch vierhundertachtzig und starrte voller Entsetzen auf das Ergebnis.
Das Wichsen allein hat mich 2,25 Bücher gekostet.
Was waren dagegen schon die Tage und Wochen, die er mit einem massiven Kater vergeudet hatte, weil er am Schreibtisch bis vier Uhr morgens durchsaufen musste, um irgendeine Deadline einzuhalten. Allein der Selbstbefriedigung hatte er zwei Romane und eine kurze Novelle geopfert, die jetzt die Bibliotheksregale der Welt schmücken könnten. Eingetauscht gegen über tausend Stunden, in denen er sich keuchend auf dem Rücken liegend, auf Toiletten hockend oder – wenn auch nur höchst selten – sogar Auto fahrend verbissen einen abgerubbelt hatte. Rund eine Viertelmillion Wörter der Prosa eingetauscht gegen was? Gegen ein paar Liter Samen, ergossen in Socken, Taschentücher, Handtücher und Unterhosen, deren wechselnde Muster die Modetrends von vier Dekaden abdeckten.
Was für ein mieses Geschäft!
Ja, möglicherweise war das wirklich die Lösung seines Problems. Es könnte funktionieren. Vielleicht hatten Kingsley und Lees-Milne den Nagel auf den Kopf getroffen, und dies war der Weg aus seinem Schlamassel. Ihm blieben vermutlich nur noch zwanzig Jahre des Schreibens. Er hatte schlicht nicht mehr so viel Zeit . Also würde er einfach in die nächste Privatklinik marschieren, dort den horrenden Scheck ausstellen und sagen: »Also, damit das klar ist: Ich will, dass ihr mir da unten alles wegschnippelt, verstanden? Lasst mir nur was zum Pissen dran. Denn wisst ihr was, Jungs? Um ehrlich zu sein, hat es mir nichts als Kummer gebracht.«
vierzig
Kennedy sah zu, wie Paige Patterson eine Gabel voller Salat zum Mund führte. Die smaragdgrünen Blätter glänzten vom Olivenöl.
Sie hatten ihm nichts als Kummer gebracht, so viel stand fest. Aber sie waren halt immer noch da, baumelten immer noch zwischen seinen Beinen und diktierten, wo’s langging.
Also saß er mit Paige im The Bear, einem dieser gehobenen Gastro-Scheißhäuser, das Kennedy aufgrund seiner nicht unbeträchtlichen Entfernung zum Campus und der daraus resultierenden Abwesenheit von Kollegen oder Studenten ausgewählt hatte. Tatsächlich speisten im ganzen Lokal nur noch zwei weitere Gäste. Gott, diese Restaurants in der englischen Provinz: Im Caesar Salad waren keine Anchovis und der Sauvignon die reinste Plörre. Kennedy verzehrte sich nach dem Tintenfisch im Moonshadows und einem anständigen Martini, gab sich aber wohl oder übel damit zufrieden, in einer übergarten Forelle herumzustochern und den armen Fisch mit dem genießbarsten Weißen herunterzuspülen, den er auf der Karte hatte finden können. Zu seiner Überraschung hatte Paige ein Glas Wein akzeptiert, ohne dass er sie dazu überreden musste. Dabei hatte er vorher besonders sorgfältig seine Argumente abgewogen, um letztendlich zu dem Schluss zu kommen, dass es vermutlich am besten wäre, so zu tun, als würde er die Geduld verlieren: »Verdammte Axt, jetzt halt die Klappe und trink endlich was.«
»Mmmm«, gurrte Paige, als sie ihr Weinglas hob und sich das Olivenöl von ihren vollen, perfekten Lippen leckte. Sie hatte auf Dressing verzichtet und den Kellner gebeten, ihr stattdessen eine
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