Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
dein Überleben bis ins Erwachsenenalter sorgen wollte – unter anderem.« Seufzend stellte er seinen Becher ab, so dass es einen leisen Knall gab. »Ich bin im Wohnzimmer.«
Mit diesen Worten verließ er die Küche und ging den Flur entlang, als würde er sich in dem Haus bestens auskennen. Wenige Sekunden später ertönte das gleichförmige Murmeln des Fernsehers.
»Ich mag ihn nicht«, flüsterte Graves.
»Das sagtest du bereits.« Ich nahm noch einen brühheißen Schluck Milch mit Zucker. Da ist nicht einmal echter Kakao drin, bloß künstliches Aroma. Ich musste an Grans heiße Schokolade denken und wünschte mir für einen winzigen Moment, ich wäre fünf Jahre alt und in Sicherheit. Dann aber fiel mir ein, dass Gran dauernd alle Böden mit Kräutermixturen geschrubbt hatte, um Böses fernzuhalten, und ich fragte mich unweigerlich, wie sicher ich bei ihr tatsächlich gewesen war. »Morgen früh rufe ich August an.«
»Und dann?«
Woher sollte ich das denn wissen? Nein, eigentlich wusste ich es. Ich schluckte, stützte mich auf den Tresen und beobachtete das weiße Gewirbel vor dem Fenster. »Dann werde ich alles über diesen Sergej herausfinden, was ich kann. Falls Chris recht hat und er meinen Dad umgebracht hat …« Nun saß mir ein Kloß im Hals.
Graves hielt offensichtlich nicht viel von dem Plan – unausgereift, wie er war. »Was dann? Falls er recht hat und sie ihn schon so lange jagen, was zur Hölle sollen wir da wohl ausrichten?«
Wir? Vermutlich kam Graves überhaupt nicht auf die Idee, dass er lieber in Ruhe aussitzen könnte, was als Nächstes passierte.
Nein. Natürlich nicht. Wohingegen ich schon unzählige Male überlegt hatte, ihn einfach abzuwimmeln, und jetzt kam ich mir wie ein Schwein vor.
Meine Brust fühlte sich komisch an, eng und warm zugleich. »Mein Dad war kein Blödmann. Er hat mir eine Menge beigebracht. Vielleicht brachte er mir irgendetwas über diese Typen bei, ohne dass ich es kapiert habe.« Du lügst, Dru!
Aber was sollte ich sonst machen? Falls stimmte, was Christophe erzählte, hatte besagter Sergej meinen Dad in einen Zombie verwandelt – diese kalten Insektenbeine krabbelten mir wieder den Rücken hinauf. Und so etwas verzieh man niemandem, oder?
Andererseits war ich ein einzelner Teenager und reichlich überfordert. Ich hatte auf einen Werwolf geschossen, ja, und ich war ziemlich viel weggelaufen. Und ich hatte den Truck gefunden, was allerdings eher Grans Eule zu verdanken war.
Wäre das hier ein Spiel gewesen, hätte ich gerade haushoch verloren. Ich sollte schleunigst aus dem Stadion fliehen, solange ich noch am Leben war.
»Aha.« Graves’ Schulter stieß gegen meine, so dass mein Becher mit der Milch wippte. Endlich wurden meine Finger und Zehen wieder warm.
Dennoch … »Aber vielleicht können diese Leute vom Orden mir noch etwas beibringen – und dir. Es muss doch etwas Gutes haben, zum Superhelden verdonnert zu sein, stimmt’s?«
Er seufzte theatralisch. »Wenn es bewirkt, dass ich einschlafe und beim Aufwachen sofort zwei fettige Peperonipizzen will – na, ich weiß nicht.«
Kaum zu glauben, aber ich musste so lachen, dass ich mir die Hand vor den Mund hielt.
»Mir ist noch etwas aufgefallen«, fuhr Graves fort, der nicht einmal lächelte, sondern zum Wohnzimmer wies. »Er beantwortet keine deiner Fragen. Ich meine, nicht richtig jedenfalls. Ich würde sagen, er hat irgendetwas zu verbergen, meinst du nicht?«
Doch. »Wenn er der ist, der zu sein er behauptet, hat er wohl auch allen Grund dazu.« Ungefähr zehn Sekunden lang sahen wir uns in die Augen. Das war dieses bedeutsame Sich-in-die-Augen-Gucken, wie man es mit jemandem tut, den man gut kennt, weil man sich auf die Art besser verständigen kann, als würde man eine halbe Stunde wirr herumstammeln. Schnee glitt am Fenster hinunter, und ein kalter Luftzug erwischte mich. Ich musste bald eine richtige Hintertür einbauen, auch wenn die hintere Veranda fast vollständig umschlossen war.
Graves zuckte mit den Achseln. »Wenn du es sagst.« Ich traue ihm immer noch nicht, verrieten seine Augen. Im Moment waren sie so gut wie gar nicht mehr braun, nur grün, und der Kontrast zu seiner karamellfarbenen Haut war eindrucksvoll. Im Profil wirkte seine Nase markant, nicht mehr viel zu verdammt groß für sein Gesicht. Dann erschauderte er und zog die Schultern hoch, wobei mich plötzlich der blöde Wunsch überkam, meinen Arm und Moms Quilt um ihn zu legen und ihn einfach ein
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