Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
fast immer recht. Ich …«
»Halt den Mund!«, flüsterte Graves. Seine Augen kniff er schon wieder zu, aber trotzdem kamen noch Tränen zwischen seinen Wimpern hervor. »Lass mich in Ruhe!«
Ich krabbelte auf den Knien zurück, das Messer in der Hand. »Es tut mir leid, ehrlich, ich wollte bloß …«
»Habe ich nicht gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen? Halt den Mund!« Seine Stimme kippte wieder.
Ich wischte mir die Wange mit den Fingern. Es gab nichts mehr zu sagen. Also richtete ich mich ganz auf, wobei jeder Teil von mir ächzte, und ließ ihn allein.
Kapitel 14
W ieder hockte ich auf den Stufen, lauschte dem Rauschen der Heizung und dem Schneetreiben draußen. Ich hörte, wie Graves sich oben bewegte – die Toilettenspülung drückte, den Wasserhahn aufdrehte, mit den Füßen schlurfte. Außerdem gab es Knack- und Knarrgeräusche, mit denen ich in diesem Haus bisher noch nicht vertraut geworden war. Jedes Haus hatte seine eigenen Geräusche, und jeder Mensch darin klang anders.
Jedenfalls klang Graves anders als Dad. Dennoch war es besser als nichts, jemand anders atmen und herumgehen zu hören. Viel besser als nichts.
Meine Augen fühlten sich heiß und körnig an, als ich auf die Waffe in meinen Händen starrte. Neun Millimeter, pechschwarz und schwer, der Lauf schmal und glatt. Eine gute Waffe.
Was willst du tun, Dru? Zurück an die Highschool gehen und Abschlussballkönigin werden? Klar, wieso nicht?
Die Antwort war zum Greifen nahe, ich kam nur nicht darauf. Da war etwas, das mir entging, weil ich versuchte, nicht daran zu denken. Es hatte mit jener Tür zu tun, mit dem Gang mit Estrichboden und dem Traum, der wie eine Bowlingkugel auf meinem Denken lastete.
Jemand hat Dad zu einem Zombie gemacht. Während er auf Jagd war. Also wusste irgendeiner, was er tat, nicht?
Aber wer konnte es wissen? Und hinter was war er her gewesen? Mir hatte er nichts erzählt.
Die Fragen wiederholten sich in einer Endlosschleife, bis sich plötzlich das, was ich vergessen hatte, seit ich aufgewacht war, mit einem Klick einstellte.
Kontakte. Dad hatte Kontakte gehabt. Ich musste jemanden anrufen!
Eine geradezu lachhafte Erleichterung durchströmte mich von Kopf bis Fuß, kaum dass ich an einen Erwachsenen dachte, der älter als ich war, besser bewaffnet, erfahrener, und der herkommen könnte und …
… und was? Mir ein Zuhause geben? Mich adoptieren? Mich als Lehrling aufnehmen? Alles gut machen?
Ja, klar doch! Keiner der Jäger, mit denen Dad mich überhaupt zusammengebracht hatte, bewies auch nur einen Anflug von väterlichen Regungen. Aber sie waren älter, so viel stimmte schon einmal. Und sie würde interessieren, was ihn umgebracht hatte. Schließlich waren sie seine Freunde gewesen. Mitkämpfer. Waffenbrüder.
Stimmt’s?
Ich schloss die Augen und lehnte mich seitlich an die Wand. Die Waffe hing in meiner rechten Hand.
Nach einem Moment knarrte die Treppe. Graves schlurfte die Stufen hinunter, als würde ihm jeder Schritt Schmerzen bereiten. Und da war noch ein Schleifen.
Ich öffnete meine Augen nicht.
Als er sich neben mich hockte, war ich nicht sonderlich überrascht. Einige Minuten lang saßen wir Seite an Seite, bis ich die Augen öffnete und die Welt mit einem Schlag in meinen Kopf zurückschwappte.
Er hatte sich Moms Sonnenaufgangsdecke von meinem Bett übergehängt und starrte streng vor sich hin. Das Haar hatte er hinter seine Ohren gestrichen, und dass er barfuß war, machte nicht viel, denn inzwischen war das Haus einigermaßen warm.
Die Wunde von dem Wolfsbiss schloss sich allmählich und war nur noch grellrosa statt blutig dunkelrot oder gelblich verkrustet. Auch die bläulich schwarze Verfärbung der Adern war fort. Wieso diese Bisse so unheimlich schnell verheilten, wusste keiner.
Das Ticken der Heizung füllte den Raum zwischen uns. Wir passten nebeneinander auf eine Stufe, weil Graves so spargeldürr war.
Ich hatte ihm gesagt, dass es mir leidtat, aber hatte er eine Vorstellung, wie leid?
Zunächst saß er nur da, zappelig wie immer. Dann sprach er leise, fast sanft, als würde ich heulen und er wollte mich trösten. »Warum hast du das gemacht?«
Weil ich musste. »Du hättest dich verwandeln können.«
»Verwandeln«, wiederholte er so matt, dass es beinahe nicht als Frage zu erkennen war.
»In einen Werwolf. Wie das Ding, das dich im Einkaufszentrum gebissen hat.«
»Ein Wehr-was?«
»Ein Werwolf.« Ich überlegte, es zu buchstabieren, ließ es aber. »Den
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