Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
denken wollte. Ich meine, ich hatte Dad getötet, nur dass er da eigentlich nicht mehr Dad gewesen war. Man kann keinen Zombie aus einem noch lebenden Menschen erschaffen.
Nein, ausgeschlossen.
Also, noch einmal: Jemand hatte ihn zu einem Zombie gemacht. Niemand wachte morgens auf und war plötzlich ein Untoter. Dad war ermordet und zu einem Zombie gewandelt worden. Und er war übel zugerichtet gewesen. Jedenfalls hatte er jede Menge scheußliche Wunden gehabt – sie verwesen schneller, wenn sie vor ihrem Tod schwer verwundet wurden.
Ich fühlte mich, als steckte ich in einer dieser Schneekugeln, die man schüttelt, und schon setzt drinnen ein wildes Geriesel ein. Alles andere innen bleibt vollkommen starr und unbeweglich, während schwebende Eisteilchen die Szenerie umwirbeln. Ich versuchte, nicht an das zu denken, was ich als Nächstes überlegen musste, was mir allerdings nur gelang, indem ich meinen Kopf mit einem statischen Knistern füllte.
Wie lange ich noch dagesessen hätte, wäre nicht der schneidende Aufschrei von oben gekommen, kann ich nicht sagen.
Graves war wach. Ich hievte mich hoch und trottete die Treppe hinauf. Die Waffe in meiner Hand war kalt und schwer.
Ich wollte nicht tun, was ich glaubte, tun zu müssen.
Pech gehabt, Mäuschen! Es muss sein.
Sobald er mich sah, hörte er auf, sich gegen die Seile zu wehren. Die Decken waren ihm nach oben gerutscht, so dass seine Zehen freilagen. Im Zimmer war es wärmer als im restlichen Haus, und Schweiß benetzte sein langes stumpfschwarzes Haar, das ihm im Gesicht klebte.
Sekundenlang sahen wir einander nur an. Dann hob er seine rissigen Finger – da er auf der Seite lag, war das so ziemlich alles, was ihm an Bewegungsspielraum blieb. Seine Stimme war heiser, als er das mit Abstand Absurdeste sagte, was ich von jemandem erwartet hätte, der von einem Werwolf gebissen und an ein Bett gefesselt worden war.
»Abgedreht!« Er zog eine Hälfte seiner Langbraue hoch, so dass ich seine Augen sah, die nun leuchtend grün wirkten, weil die Pupillen wieder kleiner waren. Es schien nicht, als würden ihm jeden Moment Fell und Reißzähne wachsen.
Fast zwölf Stunden waren vergangen, seit er gebissen worden war.
»Ich hätte echt nicht gedacht, dass du auf Fesselspiele stehst«, fuhr er fort. »Und wie soll ich bitte pinkeln?«
Gute Frage!
Die Waffe war geladen und eine Kugel bereits in der Kammer. Ich entsicherte und betete, dass die nächsten fünf Minuten glimpflich verliefen. Nervös betrat ich das Zimmer, wobei ich mir reichlich Zeit ließ. Meine Knoten hielten anscheinend ganz gut.
»Ich werde dir ein paar Fragen stellen«, klärte ich ihn so ruhig wie möglich auf, was auch recht überzeugend klang. »Wenn ich die richtigen Antworten bekomme, schneide ich dich los, und dann sehen wir weiter.«
Er leckte sich die Lippen. Seine Augen sprangen zwischen der Waffe und meinem Gesicht hin und her, und er wurde ganz still.
Etwas sagte mir, dass er wusste, wie wenig ich bluffte.
Das war prima, denn ich selbst war mir keineswegs sicher. Ich konnte ihn unmöglich in meinem Bett erschießen. Nein, ich konnte jemanden wie ihn nicht erschießen. Klar, ich hatte auf den Werwolf geschossen. Das war eher wie in einem Videospiel gewesen, genau wie ich es von Dad gelernt hatte.
Aber … ich kannte diesen Jungen. Ihn konnte ich nicht erschießen. Er war menschlich.
Und auch wenn ich mich gehütet hätte, ihn einen Freund zu nennen, war er doch derzeit der einzige Mensch, der dieser Bezeichnung wenigstens nahekam.
Ich stand neben meinem Bett, gleich bei unseren eingesauten Sachen von gestern, und richtete meine Waffe auf ihn. »Erste Frage: Woher hast du die Kette?«
Er schluckte. Inzwischen war er kreidebleich, und an seinem Hals erkannte ich, wie schnell sein Puls schlug. »Von Hot Topic im Einkaufszentrum. Du erschießt mich nicht, Dru!«
Wäre ich mir doch halb so sicher, wie du klingst! Ich wappnete mich für etwas, das sowieso schon verflucht klar war. »Weißt du, was sie bedeutet?«
»Scheiße, Mann, ich habe sie bloß gekauft, weil sie im Angebot war! Die anderen lassen mich in Ruhe, wenn sie denken, ich fahre auf diesen Kultquark ab!« Sein Adamsapfel hüpfte wild, als er mehrmals schluckte. »Echt, du willst mich doch nicht erschießen, oder?«
Entweder das, oder ich lasse mir von dir die Kehle zerfetzen. Zwölf Stunden sind das Maximum, das es dauert, bis ein Werwolf sich verwandelt. Wenn du dich bis jetzt nicht verwandelt hast, gibt es
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