Straße der Diebe
Elena versuchte, diese visuelle Falle durch Sprache zu entschärfen, sie artikulierte, sie gestikulierte in Sätzen, um zu erreichen, dass der Blick dieses Jungen sich um fünfundzwanzig Grad hob, dass er von der Brust zu ihrem Gesicht ging, wie es üblich ist unter Leuten, die sich nicht kennen, aber sein Begehren, diese Brüste und diese Hand, die sich im Stoff verfing, weckten so viel Scham in Bassam, dass er nicht imstande war, Elena anzuschauen, denn damit hätte er gewissermaßen in seine eigenen Gedanken, in sein Wesen und auf seine ganze Erziehung geblickt, die ihn zugleich daran hinderten, den Kopf zu heben und, wie es die Europäer tun, das außerordentliche Schauspiel der Erregung unauffällig zu genießen, das die Keuschheit hervorruft, während sie sich, unwillentlich, verbirgt, verleugnet, indem sie der Fantasie dessen, der sie betrachtet, das enthüllt, was sie zu verheimlichen sucht.
Bassam war eben ehrlicher als ich, vielleicht einfacher gestrickt; es ist eine Frage des Temperaments oder der Geduld; ich unterhielt mich eifrig mit Judit; ich hatte sogar ab und zu eine Frage für Elena; auch ich versuchte, mühte mich ab, zu erahnen, was unter ihrer Bluse steckte, ich tat es unauffällig, ohne Nachdruck, indem ich meine Pupillen in ihre senkte, doch sobald sie den Kopf wegdrehte, um sich an ihre Freundin zu wenden oder mit bekümmertem Blick den armen Bassam zu mustern, widmete ich mich dieser Frage nach Herzenslust, und dabei musste ich mir eingestehen, dass in dieser Hinsicht die, die das Schicksal mir gegenüber platziert hatte, nicht die besser ausgestattete der beiden war, doch darauf kam es nicht an, da Judit mir auf Anhieb näher, zugänglicher und freundlicher erschien.
Sehr schnell genügten uns meine paar Brocken Spanisch nicht mehr, und so begannen wir, Französisch zu reden; ich glaube, es war das erste Mal, dass ich tatsächlich mit Ausländern Französisch sprach, und ich musste die Worte suchen. Zum Glück erleichterte es mir Judits katalanischer Akzent, sie zu verstehen. Bassam sagte nichts oder fast nichts; hin und wieder brummelte er etwas in einem unbegreiflichen Idiom; als er verstanden hatte, dass diese beiden vom Himmel gefallenen Engel in Barcelona Arabisch studierten, begann er klassisches Arabisch zu sprechen, es hätte ebenso gut ein Sermon von Cheikh Nouredine sein können, noch dazu mit Grammatikfehlern. Er begann Judit und Elena zu fragen, ob sie den Koran kannten, ob sie ihn schon auf Arabisch gelesen hätten und was sie über den Islam dachten. Er musste jede Frage zwei- oder dreimal wiederholen, denn er sprach schnell und undeutlich, die Augen nach unten gerichtet.
Am Abend zuvor hatten wir mit unseren Knüppeln an einer Strafexpedition teilgenommen, und heute bekehrten wir zwei Ausländerinnen zur Religion des Propheten. Cheikh Nouredine konnte stolz auf uns sein.
Ich konnte kaum glauben, dass sie wirklich Arabisch studierten, das heißt an meinem Heimatland, an meiner Sprache, meiner Kultur interessiert waren; das war das zweite Wunder, ein seltsames Wunder, bei dem man sich fragte, ob es nicht teuflisch war – wie konnten zwei junge Frauen aus Barcelona sich so für diese Sprache interessieren, dass sie Lust hatten, sie zu lernen? Wozu? Judit sagte, ihr Arabisch sei sehr schlecht, sie schäme sich zu sprechen; Elena war kühner, doch ihre Aussprache ähnelte der Bassams im Spanischen oder Französischen, sie war unverständlich. Ich schämte mich ein wenig; den Typen um uns herum, die ihre Verlobten dabei beobachteten, wie sie Milkshakes tranken und dabei mit geschlossenen Augen stark an ihren Strohhalmen saugten, entging kein Detail unserer Unterhaltung. Sie dachten ganz bestimmt, sieh dir diese beiden Trottel an, da reißen sie zwei Touristinnen auf, und dann erzählen sie ihnen was vom Propheten, diese Arschlöcher.
Ich schlug vor, woanders hinzugehen. Bassam flüsterte mir sehr schnell, sehr leise etwas auf Marokkanisch zu.
Es war neun Uhr abends. Elena schlug vor, etwas zu essen; ich zählte in Gedanken die paar Dirham, die mir geblieben waren, sie reichten für ein Sandwich, nicht viel weiter. Elena wollte in ein kleines Restaurant gehen, das sie in der Altstadt entdeckt hatte. Ich muss ziemlich komisch aus der Wäsche geguckt haben, Judit hat meine Verlegenheit sicher begriffen, sie sagte, ihr wäre ein Café lieber, sie gab vor, nicht besonders hungrig zu sein, der Tee habe ihr den Appetit genommen. Ihre Freundin schmollte ein wenig. Judit sagte zwei
Weitere Kostenlose Bücher