Straße der Diebe
entdeckten, was von Bourges oder Troyes aus betrachtet kaum dazu angetan war, Zuneigung einzuflößen.)
Ich döste ein wenig und träumte dabei von den genannten Mädchen. Dann las ich noch einmal den Anfang von Total Cheops , einem meiner Lieblingskrimis; ich stellte mir vor, Tanger verwandelte sich plötzlich in Marseille, wenngleich die Chancen dafür schlecht standen, und knabberte nebenher eine Packung Chips; langsam brach der Abend an; der Geruch des Meeres umgab mich.
Ohne Licht anzuschalten, blieb ich ausgestreckt auf dem Boden liegen, bis es dunkle Nacht war.
Bassam kam hereingestürmt, fast wäre er auf mich getreten.
»Was treibst du hier im Dunkeln? Hast du geschlafen?«
»Nicht richtig«, sagte ich.
Er war völlig aus dem Häuschen, wie immer. Er drehte Kreise wie ein Welpe um den Korb seiner Mutter.
»Was ist denn nun schon wieder los?«, fragte ich. »Gibt es wieder einen zum Verprügeln?«
»Nein, diesmal ist es eine größere Sache.«
»Also das Schwert des Propheten?«
»Halte deine Lästerzunge im Zaun, Ungläubiger. Die Stunde der Rache ist gekommen.«
Einen Augenblick lang dachte ich, er scherze, aber nachdem ich das Licht angeknipst hatte, sah ich sein gutmütiges Bauerngesicht und die seltsame Raserei, die in seinen Fuchsaugen glänzte.
»Worum geht es bei der neuen Schweinerei?«
Er tischte mir einen Embryo an paranoider Theorie auf, laut der nur ein Attentat, das die Menschen vor den Kopf stoße, Bewegung in die Dinge bringe, indem es die westliche Welt, die Bevölkerung und das Königshaus in die Konfrontation zwinge. Das klang ganz nach Cheikh Nouredine, aber sehr wenig nach Bassam. Wo andere ihr Hirn haben, hatte er eine Erbse im Kopf.
»Wo andere ihr Hirn haben, hast du eine Erbse im Kopf«, sagte ich.
Zudem wusste ich genau, dass ihm der politische Islam im Grunde egal war. Letztlich war man als kleines Kind zur Religion gekommen, hat sie in die Wiege gelegt bekommen.
»Vergiss diese Attentatsgeschichten, komm, wir drehen eine Runde. Der Cheikh kommt erst morgen zurück.«
Bassam starrte mich an, als wäre ich völlig bekloppt.
»Ich muss beten, um mich zu reinigen.«
Ich seufzte. Ich fragte mich, wozu Cheikh Nouredine ihn genötigt oder was er ihm versprochen hatte. Huris im Paradies vielleicht. Bassam hatte eine Schwäche für Erzählungen über die immer jungfräulichen Huris, die man ewig und drei Tage vögeln konnte am Ufer des Al-Kauthar, des Sees der Fülle im Jenseits.
Aber auch ich hatte meine Huris.
»Weißt du, ich habe gestern Abend zwei nette Mädchen kennengelernt, zwei spanische Studentinnen. Sie bleiben bis morgen hier. Wir haben zusammen einen Joint geraucht, ich bin jetzt gleich mit ihnen verabredet.«
»Hör auf mit dem Quatsch.«
Sein Auge hatte zu strahlen begonnen.
In seinem Kopf arbeitete es schwer.
»Ich glaube dir nicht.«
»Darum geht es nicht. Du musst mitkommen, ich brauche dich, jemand muss sich um die zweite kümmern. Ich will dir nichts vormachen, sie ist nicht die schönere, aber sie ist trotzdem nett. Komm, tu mir den Gefallen.«
»Hm, wie heißen sie?«
Er hatte angebissen, der Punkt ging an mich.
»Deine heißt Ines, meine Carmen.«
Ich hätte mir originellere Namen ausdenken können, aber ich hatte die Mädchen aus der Hosentasche gezaubert und keine Sekunde gezögert.
»Und wie alt sind sie?«
»Ich weiß nicht, vierundzwanzig, fünfundzwanzig«, sagte ich.
»Oh Mann, das ist echt blöd, aber ich habe dem Cheikh versprochen, hier zu bleiben und auf die Befehle zu warten. Die Nacht im Gebet zu verbringen.«
»Wir können sie kurz treffen, und anschließend gehst du zurück zum Beten, was ändert das?«
Wenn alle Rekruten von Cheikh Nouredine so leicht zu beeinflussen sind, dann lässt der Sieg des Islam noch auf sich warten, dachte ich.
Plötzlich sah er erleichtert aus wie jemand, der eine schmerzhafte Entscheidung getroffen hat.
»Okay, aber nur eine kleine Runde, einverstanden? Danach gehe ich zurück.«
»Wie du willst.«
Jetzt bin ich schon ein gutes Stück vorangekommen, dachte ich. Er macht Kleinholz aus mir, wenn er entdeckt, dass die dicke Ines und die schöne Carmen uns versetzt haben.
Macht nichts, dann sehen wir weiter.
Und wenigstens auf diese Kleinigkeit wird Cheikh Nouredine verzichten müssen, auf diese paar Gebetsstunden. Eine winzige Rache.
Bassam spritzte sich etwas von meinem Haarwasser ins Haar, hauchte in seine Flosse, um seinen Atem zu prüfen, er war zappelig.
»Auf dem Hinweg sprechen
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