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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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was Sie wollen«, sagte Jebidiah. »Ich bleibe.«
    »Und warum?«, fragte Bill.
    »Weil das meine Aufgabe ist.«
    »Na ja, meine ist es jedenfalls nicht. Deputy, ist es nicht Ihre Pflicht, mich nach Nacogdoches zu bringen, damit ich an den Galgen komme?«
    »In der Tat.«
    »Dann sollten wir jetzt losreiten und uns nicht an diesen Spinner hier halten. Wenn er sich unbedingt mit einem von den Toten auferstandenen Ungeheuer anlegen will, dann soll er doch. Uns geht das nichts an.«
    »Wir haben vereinbart, dass wir zusammen reiten, und das werden wir auch tun«, sagte der Deputy.
    »Ich hab nichts vereinbart.«
    »Was du sagst oder willst, interessiert mich nicht«, gab der Deputy zurück.
    Im gleichen Moment hörten sie, wie sich im Wald zu ihrer Linken etwas bewegte. Etwas Schweres glitt rasch durchs Gehölz und bemühte sich dabei keineswegs, seine Anwesenheit zu verheimlichen. Jebidiah drehte den Kopf in Richtung der Geräusche und sah jemanden, vielmehr etwas, das durchs Unterholz stapfte und dabei Äste abknickte, als wären es morsche Stöckchen. Er konnte auch das laute, wütende Gebrumm der Bienen hören. Ohne sich dessen bewusst zu sein, spornte er sein Pferd an; Bill und der Deputy folgten ihm.
    Als sie zu einer Stelle kamen, wo sich etwas abseits der Straße das Gestrüpp lichtete, erblickten sie Gebilde, die aussahen, als wäre weiße Gischt in der Dunkelheit erstarrt. Dann erkannten sie, dass es Grabsteine waren. Und Kreuze. Ein Friedhof. Der Friedhof, von dem Old Timer gesprochen hatte. Der Himmel war inzwischen wolkenlos, der Wind hatte nachgelassen. Sie konnten den Friedhof gut überblicken und sahen nun, wie das Ungeheuer aus dem Gebüsch trat, die kleine Anhöhe mit den Gräbern erklomm und sich auf einem der Grabsteine niederließ. Um seinen Kopf bildete sich eine schwarze Wolke, deren Brummen man bis zur Straße herab hören konnte. Das Ungeheuer saß dort wie auf einem Thron. Selbst aus der Entfernung war klar zu erkennen, dass dieses Etwas nackt war. Und männlich. Die graue Haut schimmerte bläulich im Mondlicht, und der Kopf war deformiert. Durch die Risse im Hinterkopf schimmerte das Mondlicht ebenso wie durch die frischen Risse vorne an dem schrecklichen Schädel und durch die leeren Augenhöhlen. Das Bienennest, das im offenen Brustkorb zu sehen war, pulsierte honiggelb glühend zwischen den Rippenbögen. Immer wieder umkreisten kleine schwarze Punkte das Glühen, flogen empor und schwebten im Mondlicht über dem Kopf der Kreatur.
    »Herr im Himmel«, sagte der Deputy.
    »Der ist uns hier keine Hilfe«, entgegnete Jebidiah.
    »Ist das da wirklich Gimet? Er ... das da ... ist doch tot.«
    »Untot«, berichtigte Jebidiah ihn. »Ich glaube, er spielt mit uns. Er wartet auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen.«
    »Zuzuschlagen?«, fragte Bill. »Aber warum?«
    »Weil das nun mal seine Bestimmung ist«, sagte Jebidiah. »So wie es meine Bestimmung ist, mich ihm entgegenzustellen. Wappnet euch, Männer, bald kämpft ihr um euer Leben.«
    »Und wenn wir wie vom Teufel gejagt davonreiten?«, fragte Bill.
    Genau in dem Moment wurden Jebidiahs Worte wahr. Die Kreatur war vom Grabstein verschwunden. Schatten hatten sich am Rand des Waldes zusammengeballt, sich verfestigt, und als sie sich nun von den noch schwärzeren Schatten der Bäume lösten, nahmen sie die Form der Kreatur an, die zuvor auf dem Grabstein gesessen hatte: ein bläuliches Schimmern im Mondlicht, ein völlig entstelltes Gesicht und lange, spitze Zähne. Gimet sprang auf die drei Männer zu, war mit einem Satz hinten auf dem Rücken von Jebidiahs Pferd, stieß sich wieder ab, schnellte über den Deputy hinweg und landete hart und schwer auf Bill. Dieser heulte auf, wurde vom Pferd gestoßen, sein Hut flog durch die Luft, und er schlug auf der Straße auf, da packte Gimet ihn auch schon bei seinem strohfarbenen Haarschopf und schleppte ihn wie ein Katzenjunges davon. Gimet bewegte sich auf die Bäume zu, zerrte Bill mit sich, und beide verschmolzen mit der Finsternis des Waldes. Bill schrie ein letztes Mal und hob die Hände, wobei seine Handschellen silbrig im Mondlicht blitzten. Dann raschelten nur noch die Blätter, Äste knackten, und Bill war fort.
    »Mein Gott«, sagte der Deputy. »Mein Gott. Haben Sie das gesehn?«
    Jebidiah stieg vom Pferd und zerrte es hinter sich her zum Straßenrand. Er hatte seine Waffe gezogen. Der Deputy blieb im Sattel sitzen, zog aber ebenfalls den Revolver. Seine Hände zitterten. »Haben Sie das

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