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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mehr. Mit dieser Liebe sind Sie auch Revolutionär geworden.«
    »Ich sehe das anders, Hauptmann Bandeira.«
    »Dann sehen Sie es falsch.«
    »Ich werde Norina mit nach Deutschland nehmen.«
    Bandeira schien alles mögliche erwartet zu haben, nur das nicht. Er sah Gebbhardt an, als habe ihm dieser gerade ein Messer in die Brust gestoßen. »Weiß sie das?«
    »Nein.«
    »Sie haben es ihr noch nicht gesagt?«
    »Mir ist dieser Gedanke gestern im zweiten Teil der Nacht gekommen, nachdem ich die beiden mißhandelten Arbeiter gesehen habe. Norina wird in diesem Land nicht mehr weiterleben.«
    »Ich glaube, wenn Sie ihr das sagen«, sagte Bandeira langsam, »wird Norina Sie umbringen. Carlos, ich hatte recht vorhin: Das ist keine Frau für Sie. Ihnen sind die Konsequenzen nicht klar, die sich ergeben, wenn man Norina zur Geliebten hat. Nach Deutschland wollen Sie sie bringen? Einfach in ein Flugzeug steigen und wegfliegen! Brasilien zurücklassen, gewissermaßen mit einem Fußtritt: Seht zu, wie ihr allein fertig werdet. Euer großes menschliches Problem … es ist nicht mein Bier. Ich habe zu Hause die vollen Fleischtöpfe.« Bandeira packte Gebbhardt an den Rockaufschlägen und zog ihn nahe zu sich heran. »Ich warne Sie. Nicht vor mir, nein. Vor Norina. In diesem Land ist es möglich, daß eine Frau nach einer Liebesnacht ihrem Geliebten die Kehle durchschneidet. Und sie tut es als Heldin, für ihre Ehre.«
    »Nicht Norina. Wollen Sie mich bitte loslassen, Hauptmann?«
    »Verzeihung, Carlos.« Bandeira ließ die Hände sinken. »Ich mache mir Sorgen um eure Liebe. Ist das nicht absurd? Euer Problem ist meines. Und warum? Weil Sie ein so verdammt anständiger Kerl sind, Carlos. Aber das Schicksal hat Sie nun mal in diesen Urwald verschlagen. Sie besitzen die schönste Frau, die ich kenne, und Sie werden in das ganze blutige Chaos hineingezogen werden, ob Sie wollen oder nicht. Es sei denn, Sie reisen ab. Heute noch.«
    »Ich habe einen Vier-Jahres-Vertrag, Bandeira.«
    »Mit Sterbeverpflichtung?« Bandeira lachte rauh. »Diese Deutschen! Pflichterfüllung bis zwei Meter unter die Erde.«
    »Wie Sie, Hauptmann.«
    »Ich bin Brasilianer. Es ist mein Land, mein Vaterland. Sie hält nur ein Vertrag hier. Ein Stück Papier, das auch zum Hinternputzen zu gebrauchen ist.«
    »Jetzt hält mich Norina in Ihrem Land.«
    »Dann müssen Sie auch Revolutionär sein!« sagte Bandeira laut. »Carlos, ich kann Ihnen nicht helfen. Diese Entscheidung nimmt Ihnen keiner ab. Nur vergessen Sie eines nicht: Norina ist zuerst Patriotin und erst dann Geliebte, nicht umgekehrt. Das ändern Sie nie.«
    Er wandte sich um und ging in militärisch strammer Haltung schnell davon. Gebbhardt blickte ihm nachdenklich nach.
    Aus dem Lazarettzelt wurden die beiden Leichen herausgetragen. Sie waren in Zeltplanen gewickelt. Die Füße hingen heraus und schlenkerten hin und her. Die Neger, die die Toten wegtrugen, grinsten Gebbhardt breit an und marschierten in den gelichteten Urwald hinein. Dort gab es schon mehrere Gräber. Gebbhardt hatte die nach Brasilia gemeldete Statistik im Kopf: Pro Woche im Durchschnitt vier Ausfälle, wie man es in der Amtssprache nannte. Ein anonymes Sterben in nackten Zahlen. Todesursache: Bluthusten, Vergiftungen, Entkräftung, Darmbluten, ungeklärte Messerstiche, Unfälle und besonders häufig Quetschungen durch die niederbrechenden Riesenbäume. Man begrub die Toten in einem ordnungsgemäßen Grab, man stellte sogar ein Kreuz darauf, egal ob Christ oder nicht Christ. Bisher hatte der Sanitäter immer das Gebet gesprochen. Das konnte er besser, als mit seiner Sanitätstasche umgehen.
    Aber später sah man kein Grab mehr. Wo die Straße eine feste Decke hatte, wo sie einmal der Stolz von Brasilien sein sollte, störten die Beweise einer unmenschlichen Arbeit. Gebbhardt hatte festgestellt, als er nach Ceres zur Planungszentrale fuhr, daß die Straßenränder eingeebnet waren. Die Strecke sollte einmal ›Die Straße der Freiheit‹ heißen – nicht ›Straße des Todes‹!

5
    Am späten Nachmittag erhielt die Bauspitze Besuch. Sechs Jeeps kamen von hinten, und schon von weitem erkannte Gebbhardt im ersten Wagen die bullige Gestalt von Luis Jesus Areras . Neben ihm hockte ein Mann, der in dieser Urwaldwelt wie ein fremdes Wesen wirkte. Er trug einen eleganten weißen Tropenanzug und einen Panamahut. Ein flottes schwarzes Bärtchen schmückte die Oberlippe.
    Die Wagen hielten beim Lazarett, die Männer sprangen heraus und

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