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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Uniform ausgezogen und trug jetzt eine Zivilhose und ein sauberes, hellblaues Polizeihemd. »Sie sollten einiges erfahren, ehe Sie am Morgen wieder an der Spitze Ihrer Kolonne stehen, Carlos«, sagte er. »Und für Sie ist es auch interessant, Norina.«
    Er setzte sich auf den Stuhl. Norina richtete sich auf und legte das Kinn auf die angezogenen Beine.
    Ihre völlige Schamlosigkeit verwirrte Gebbhardt. Vielleicht ist das so bei Revolutionären, dachte er. Ich habe keine Erfahrung darin. Liebe ist ein Teil ihrer großen Befreiung – das wird es sein. Die Weltanschauung geht bis in die Seele.
    »Was ist daran so wichtig?« fragte er und schämte sich seiner Nacktheit. Er deckte ein Handtuch über seine Lenden und setzte sich neben Norina.
    »Ich habe die angeblichen Täter verhört. Natürlich leugnen sie. Es sind zwei Bauarbeiter, die früher bei Areras in der Kolonne waren, als dieser noch Vorarbeiter war. Alle wissen, daß sie Spitzel sind, aber man kann es ihnen nicht beweisen. Ich habe aber erfahren, daß die Bauleitung ihnen ein Stück Land und Kredit zum Bau einer eigenen kleinen Hazienda versprochen hat, wenn sie fleißig alle unzufriedenen Arbeiter melden. Wenigstens das haben sie gestanden.«
    »Ich verstehe.« Norina erhob sich und begann sich anzuziehen. »Wie schwer sind sie verletzt?«
    »Man erkennt sie noch«, antwortete Bandeira sarkastisch. Gebbhardt starrte ihn entsetzt an.
    »Mein Gott! Sie haben sie gefoltert?« fragte er heiser. Sein Blick wanderte zu Norina. Sie streifte den Pullover über die bloßen Brüste.
    »Manche Menschen sind wie verschlossene Türen, zu denen man die Schlüssel verloren hat«, erwiderte Bandeira ruhig. »Man muß sie aufbrechen. Oft ist dahinter Leere … hier war es ein Stück Land und eine Hütte.«
    »Ich komme mit«, sagte Gebbhardt und stand auf.
    »Nein. Bleib hier, Carlito.« Norina schüttelte den Kopf und drückte Gebbhardt aufs Bett zurück. »Warte hier auf mich. Ich komme bald zurück.«
    »Ich bin verantwortlich für meine Leute«, rief Gebbhardt. »Ich protestiere, Hauptmann Bandeira!«
    »Gut, ich nehme Ihren Protest zur Kenntnis. Schreiben Sie einen Bericht nach Brasilia.«
    »Ich werde keine Berichte mehr schreiben!« schrie Gebbhardt und sprang auf. Das Handtuch fiel zu Boden. »Ich werde überhaupt keine Berichte mehr schreiben.«
    »Sie haben ihn schnell und gut erzogen, Norina«, sagte Bandeira anerkennend. »Gut, kommen Sie mit, Carlos. Vielleicht schadet es wirklich nicht, wenn Sie aus Ihrem humanistischen Tempel herauskommen. Wissen Sie, was Hermano Santos Bolo an jedem Kilometer dieser Höllenstraße und an jedem dieser ausgebeuteten Sklaven verdient? Auch an Ihnen? Der Regierung reicht er überhöhte Rechnungen ein, und er zahlt nur die Hälfte an seine Leute aus. Jeder Schweißtropfen, der hier vergossen wird, ist für ihn ein blanker Cruzeiro. Aber die Leute nehmen es hin. Krepieren oder von Bolos Gnaden weiterleben, das ist die Alternative.« Er blickte zu Norina hinüber, die sich ihr verschwitztes Gesicht mit dem Handtuch abtrocknete. »Gehen wir?«
    »Ja.«
    Draußen empfing sie der Lärm der Fällerkolonnen und das nächtliche Konzert der Urwaldtiere. Die Lagerfeuer waren niedergebrannt, die freie Schicht schlief ihren totenähnlichen Schlaf. Wolken von Moskitos surrten durch die Nacht und belagerten die kleinen Zelte. Vor den Eingängen hingen die Moskitonetze. Bei den Lazarettwagen brannten die Batteriescheinwerfer. Das große Zelt mit dem Roten Kreuz war aufgerichtet, auch hinter seiner Leinwand schimmerten Lichter. Dr. Santaluz war damit beschäftigt, die ›Verhörten‹ wieder herzurichten. Neben dem Eingang zum Lazarett wartete eine breite dunkle Gestalt: Paulo Alegre.
    »Ich weiß nicht, ob Sie uns verstehen, Carlos«, sagte Bandeira, als sie über den Kahlschlag gingen, Norina zwischen sich.
    »Bestimmt nicht!«
    »Sie hassen Gewalt.«
    »Terror als Mittel der Freiheit ist absurd.«
    »Das sagt ein satter Europäer. Die Welt hier in Lateinamerika ist nicht die Welt, wie man sie am Biertisch kennt. Hier lebt der kleine Mann von der Laune der Großen. Hier zwängt man die Hungrigen hinter Gitter und verleiht den großen Verbrechern Orden. Das alles haben Sie doch jetzt gesehen.«
    »Ja. Es hat mich erschüttert.«
    »Gut, es hat Sie erschüttert. Die ganze Welt ist davon erschüttert. Aber ändert das etwas? Macht ein mitleidiger Blick die Armen reicher und die Reichen gerechter? Was hilft uns das Mitgefühl der Welt? Wir müssen

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