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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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soll man tun? Was konnte der kleine Ingenieur Karl Gebbhardt tun gegen das Monopol von Geld und Macht, manipuliertem Recht und käuflicher Moral? Was konnte man tun …
    Irgendwann in dieser Nacht ging wieder die Tür. Gebbhardt hob den Kopf. Ein schmaler Schatten glitt in den Bauwagen.
    »Du?« fragte er.
    »Ja.«
    »Was willst du?«
    Sie zog sich aus, kletterte nackt über ihn hinweg und drückte sich an die Wand.
    »Das …«, sagte sie und streichelte seinen Körper. »Wir haben vorhin von Sklaven gesprochen. Es gibt sie wirklich. Ich bin einer geworden.«
    Dann suchten ihre Lippen seinen Mund. Sie warf sich über ihn wie ein hungriges wildes Tier.
    Am Morgen waren die beiden Verhörten, Felipe und José, nicht mehr im Camp. Ihr Zelt war leer, niemand hatte sie gesehen. Alegre schwieg feindselig. Er lenkte den schweren Bulldozer über die Schneise, zog die entlaubten Stämme zur Seite und walzte den dem Wald abgerungenen Boden glatt. Auf Gebbhardts Fragen hob er nur die breiten Schultern. Sein großflächiges braunes Gesicht blieb unbeweglich.
    Natürlich wußte auch Dr. Santaluz von nichts. Die Sanitäter brauchte man erst gar nicht zu fragen, und Hauptmann Bandeira knurrte Gebbhardt an: »Sie sehen doch, ich schreibe gerade meinen Bericht. Diese Arbeit müßten Sie doch am besten kennen.« Die Arbeitskameraden der beiden hatten anderes zu tun, als sich um Felipe und José zu kümmern. Der tägliche Kampf gegen den Urwald war wichtiger. Es geht um Cruzeiros, Senhor. Felipe und José bezahlen uns nicht, sondern die Stundenzettel sind wichtig, die bei Areras im Büro gesammelt und ausgezählt werden.
    »Sie werden geflüchtet sein«, meinte Bandeira später. »Dieses Land schluckt Halunken wie eine Lokomotive Kohlen. Vergessen wir sie.«
    Am Nachmittag fand man Felipe und José. Sie lagen abseits der neuen Straße im dichten Farn. Mit dem Gesicht nach unten lagen sie da, hingerichtet durch zwei Genickschüsse.
    Es gab keine große Aufregung, als man sie zum Lazarett trug, wo Dr. Santaluz der Form halber ihren Tod bestätigte. Hauptmann Bandeira stand daneben und rauchte eine Zigarette.
    »Jetzt haben wir nachweisbare Mörder im Camp«, sagte Gebbhardt laut. »Das ist nun wirklich eine Sache der Polizei.«
    »Wir werden uns darum kümmern, verlassen Sie sich darauf.« Bandeira ging hinaus. Vor dem Lazarettzelt hielt er Gebbhardt am Ärmel fest. Es war ein harter Griff, den man nicht ohne Mühe abschütteln konnte. »Ein Wort noch, Senhor Carlos: Norina ist verrückt. Ich meine das im übertragenen Sinne. Natürlich ist sie eine verdammt kluge Frau, aber im Zusammenhang mit Ihnen ist sie nun mal verrückt. Sie liebt Sie.«
    »Wollen wir dieses Thema nicht lieber abbrechen, Hauptmann«, sagte Gebbhardt steif.
    »Ich möchte es gern, Carlos. Ich möchte mit Ihnen über Norina ganz anders sprechen. Eigentlich möchte ich Ihnen gratulieren zu dieser einmaligen Frau … wenn Sie in Rio im Palast-Hotel mit ihr im Bett liegen würden und nicht in einem Bauwagen am Rande der Hölle. Aber Sie sind nun mal hier, und diese Liebe ist keine Liebe, in der man sich wie im Land der Seligen sonnen kann. Ich ahne, ja befürchte, daß Sie gar nicht wissen, was diese Liebe für Sie bedeutet.«
    »Sie müssen mich für einen fürchterlichen Idioten halten.«
    »In gewisser Beziehung – ja«, erwiderte Bandeira. »Wir sprachen gestern nacht von dem Vulkan, auf dem wir leben. Ein Vulkan aufgestauter menschlicher Leidenschaften, politischer Ideen, sozialer Wünsche. Norina Samasina ist einer der Zündkörper, die diesen Vulkan zur Explosion bringen werden. Ist Ihnen das nicht klar?«
    »Doch. Wir haben lange darüber diskutiert. Sie ist stolz, Revolutionärin zu sein.«
    »Und ist Ihnen klar, was es heißt, eine Revolutionärin zu lieben?« Bandeira ließ Gebbhardts Jackenärmel los. Sie standen mitten auf dem Kahlschlag, vor sich den verschlammten Fluß, über den man die Pontonbrücke montiert hatte. Fällerkolonnen hatten auf schwankenden Brettern den Fluß bereits in der Nacht überquert und das jenseitige Ufer mit Macheten, Äxten, Motorsägen und kleinen Bulldozern gesäubert. Die ersten Baumriesen hingen schräg in der elastischen Wand von Lianen, Schlingpflanzen und verfilzten Zweigen. Der Wald wehrte sich noch gegen die breite Wunde, die der Mensch ihm schlug.
    »Sie müssen mitmachen, Carlos … das heißt es«, sagte Bandeira ernst. »Mitmachen … oder Norina aus Ihrem Bett werfen. Da gibt es keine Halbheiten oder Kompromisse

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