Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Weiden gesäumten Bucht. Belmont saß am Bug, warf seinen Schwimmer zum Rand eines Seerosenteppichs aus und holte ihn langsam durch das dunkle Wasser wieder ein. Er hatte ein hageres Gesicht, lange Zähne, blasse Augen und ergrauende Haare, die ihm über die Ohren hingen. Sein Stetson, den er buchstäblich überall trug, war formlos und voller Schweißflecken und hatte eine silberne Kordel um die Krone.
»Bist du in der Heiligen Schrift bewandert, Dave?«, fragte er.
»Eigentlich nicht.«
»Im Alten Testament steht, Moses hat etwa zweihundert Menschen umgebracht, als er mit den noch rauchenden Tafeln mit den Zehn Geboten vom Berg Sinai herabstieg. Gott hatte grade aus dem brennenden Dornbusch zu ihm gesprochen, aber Moses hielt es für angebracht, die Menschen zu töten.«
»Ich kann dir nicht ganz folgen, Belmont.«
»Ich habe die Todesurteile von einem halben Dutzend Männern unterschrieben. Jeder von ihnen war ein brutaler Mörder und hat meiner Meinung nach keine Gnade verdient. Aber der Fall Labiche macht mir schwer zu schaffen.«
Ich legte meine Rute quer über die Bordwände des Boots. »Warum?«, fragte ich.
» Warum? Sie ist eine Frau, Herrgott noch mal.«
»Ist das alles?«
Er wedelte einen Moskito aus seinem Gesicht.
»Nein, das ist nicht alles. Der Pfarrer von meiner Kirche kennt sie, und er sagt, dass sie wahrhaftig bekehrt ist. Dass sie vielleicht eine von denen ist, die dazu auserkoren sind, das Licht Gottes in die Welt zu tragen. Ich hab schon genug auf dem Gewissen, ohne dass ich mich vor dem Jüngsten Gericht auch noch für den Tod dieser Frau verantworten muss.«
»Ich weiß einen Ausweg.«
»Und zwar?«
»Weigere dich, überhaupt jemanden hinrichten zu lassen. Schaff dir die ganze Sache vom Hals.«
Er warf seine Rute samt der Rolle an einen Zypressenstamm und sah zu, wie sie in einem schwimmenden Algenteppich versank.
»Schick mir eine Rechnung dafür, ja?«, sagte er.
»Worauf du dich verlassen kannst«, erwiderte ich.
»Dave, ich bin der Gouverneur von diesem verdammten Staat. Ich kann mich nicht vor einen Saal voller Polizisten hinstellen und ihnen erklären, dass ich kein Todesurteil unterschreibe, weil ich Angst davor habe, in die Hölle zu kommen.«
»Gibt es noch einen anderen Grund?«
Er wandte sein Gesicht einen Moment lang in den Schatten. Rieb sich die Locken in seinem Nacken.
»Einige Leute sagen, ich hab vielleicht eine Chance, Vizepräsident zu werden. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um milde zu Kriminellen zu sein, und schon gar nicht zu jemand, der einen ehemaligen Staatspolizisten zerhackt hat.«
»Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll«, erwiderte ich und versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
Er schlug mit beiden Händen in der Luft herum. »Ich schick die Moskitobekämpfer hier runter und lass die ganze Gegend bombardieren«, sagte er. »Heiliger Herr im Himmel, ich hab gedacht, Schnaps und Weiberschenkel wären eine Versuchung. Gegen den Ehrgeiz kommen die nicht an, mein Junge.«
Am nächsten Morgen kam eine junge Schwarze durch die Eingangstür der Sheriff-Dienststelle des Bezirks Iberia, ging den Gang entlang zu meinem Büro und klopfte mit dem Ring an ihrem Finger an die Glasscheibe. Sie trug einen lavendelfarbenen Rock, eine weiße Bluse, lavendelfarbene Pumps und hatte ein Baby in Windeln auf dem Arm.
»Little Face?«, sagte ich, als ich die Tür öffnete.
»Ich zieh wieder hierher. Raus zu meiner Tante in der Siedlung in Loreauville. Ich muss Ihnen was sagen«, sagte sie, ging an mir vorbei und setzte sich, bevor ich etwas erwidern konnte.
»Worum geht’s?«, sagte ich.
»Um Zipper Clum geht’s. Er sagt, er erledigt Sie und auch den fetten Mann.«
»Der ›fette Mann‹ ist Clete Purcel?«
»Der fette Mann hat ihn blamiert, hat ihm auf dem Dach eine gescheuert und seine Freunde in ’nen Baum runtergeschmissen. Ich frag Zipper, wieso er Ihnen was antun will. Er sagt, Sie haben ein paar Leuten erzählt, dass Zipper sie verpfiffen hat.«
»Was für Leuten?«
Sie verdrehte die Augen. »Als ob Zipper mir so was erzählt. Er hat Schiss. Jemand hat ihm gesagt, er soll seinen Mist lieber wegputzen, sonst klappert der Zipper seine Straßenecken nicht mehr ab. Mit jemand, der Zipper Angst machen kann, will ich nix zu schaffen haben.«
Sie nahm das Baby auf den anderen Arm.
»Sie sind eine kluge Frau, Little Face.«
»Deswegen leb ich ja auch von der Sozialhilfe und wohn bei meiner Tante in der Siedlung.«
»An dem
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