Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Tag, an dem Vachel Carmouche umgebracht wurde, hat ein etwa zwölf Jahre altes schwarzes Mädchen an der Eismaschine auf seiner Galerie herumgekurbelt. Das war vor acht Jahren. Sie sind zwanzig, nicht wahr?«
»Sie denken zu viel. Sie sollten lieber mit dem fetten Mann joggen gehn, damit er abnimmt und Sie eine sinnvolle Beschäftigung haben und sich nicht ständig den Kopf zerbrechen müssen.«
»Was ist an diesem Abend in Vachel Carmouches Haus passiert? Warum wollen Sie mir das nicht erzählen?«
»Er wollte unbedingt am Leben bleiben, das is passiert. Aber für ihn hat’s keine Gnade gegeben, weil er auch keine verdient hat. Wenn Sie mich fragen, gibt’s auch im nächsten Leben keine Gnade für ihn.«
»Sie haben gesehen, wie er umgebracht wurde, nicht wahr?«
»Das is meine Sache.«
»Hat er Sie missbraucht? Kam Letty deshalb an diesem Abend zur Hintertür von Carmouches Haus?«
Ihr schmales Gesicht wirkte mit einem Mal gedankenverloren.
»Ich muss mir einen Namen für Sie einfallen lassen. Einen Indianernamen vielleicht, so was Ähnliches wie ›Der Mann, der ständig Fragen stellt und nie zuhört‹. Das is aber vermutlich zu lang, was? Ich überleg’s mir noch mal.«
»Sehr witzig«, sagte ich.
»Das geht Sie nix an, trauriger Mann. Halten Sie sich aus der Sache raus, bevor Sie jemand ernstlich schaden. Was Zipper angeht – manche Schlangen klappern, bevor sie beißen. Zipper nicht. Er is Linkshänder. Er macht also irgendwas mit der rechten Hand, wedelt in der Luft rum, holt irgendwelche Sachen aus der Tasche und so. Man achtet auf die Hand, während er grinst und irgendwas daher redet. Dann schlägt er mit der linken zu, genau wie eine Schlange. Puff, puff, puff. Ich lüg nicht, trauriger Mann.«
»Wenn Vachel Carmouche Sie missbraucht hat, hätten wir einen stichhaltigen Beweis dafür, dass er auch Letty und Passion missbraucht hat«, sagte ich.
»Ich muss jetzt mein Baby füttern. Sagen Sie dem fetten Mann, was ich Ihnen gesagt hab. Wär gar nicht lustig, wenn der nicht mehr da wär«, sagte sie.
Sie stand auf, schob sich das Baby auf die Schulter und ging hinaus, ohne die Cops draußen auf dem Flur, die sie abschätzig musterten, eines Blickes zu würdigen.
Connie Deshotel war die Generalstaatsanwältin von Louisiana. In Zeitungsartikeln wurde immer darauf hingewiesen, dass sie aus einfachen Verhältnissen stammte und Abendkurse an der University of New Orleans besucht hatte, während sie tagsüber als Streifenpolizistin arbeitete. Beim Abschluss an der juristischen Fakultät der Louisiana State University zählte sie zu den Besten ihres Semesters. Sie heiratete nicht, sondern wurde stattdessen zu einer typischen Karrierefrau, für die der öffentliche Dienst unbegrenzte Aufstiegsmöglichkeiten bietet.
Ich war ihr nur einmal begegnet, aber als ich am Mittwochnachmittag in ihrem Büro in Baton Rouge anrief, erklärte sie sich bereit, mich tags darauf zu empfangen. Genau wie ihr Boss Belmont Pugh war auch Connie Deshotel eine Verfechterin des Gleichheitsgedankens. Zumindest bemühte sie sich darum, diesen Eindruck zu vermitteln.
Sie hatte olivbraune Haut, metallisch schimmernde Haare, die an den Spitzen von der Sonne ausgebleicht waren und trug ein graues Kostüm mit einer silbernen Engelsbrosche am Revers. Als ich ihr Büro betrat, hatte sie die Beine übergeschlagen und einen Stift in der Hand, den sie über einem Dokument auf ihrem Schreibtisch hielt, wie eine Figur auf einem Gemälde, die Umsicht, Gelassenheit und Tatkraft zugleich ausstrahlt.
Doch im Gegensatz zu Belmont, dem von Pachtbauern abstammenden Populisten, der so unbedarft und naiv war, dass er glaubte, seine Partei würde einen tumben Dörfler aus dem Süden bundesweit auf ihre Kandidatenliste setzen, musterte sie einen mit forschend abschätzendem Blick, unverhohlen, ohne Rücksicht darauf, dass sie einem persönlich zu nahe treten oder den Eindruck vermitteln könnte, man werde als möglicher Widersacher betrachtet.
»Wir sind uns vor Jahren mal begegnen, beim Mardi Gras«, sagte sie.
Ich wich ihrem Blick aus. »Ja, ich war damals noch beim NOPD. Sie waren bei der Stadtverwaltung«, sagte ich.
Sie betastete mit der Fingerspitze ein Muttermal an ihrem Mundwinkel.
»Ich war betrunken. Ich wurde aus einer Versammlung geführt, die Sie leiteten«, sagte ich.
Sie lächelte leicht, aber ihr Blick trübte sich, als ob sie bereits mit wichtigeren Vorkommnissen als meiner Wenigkeit befasst wäre.
»Was kann ich für Sie
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