Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Vergnügungspark in Tennessee ein vierzehnjähriges Mädchen vergewaltigt. Sie ist fast verblutet. Der Richter hat ihm zwei Jahre auf Bewährung gegeben. Was würden Sie denn machen, wenn Sie der Vater wären?«
»Sie haben also bloß der Familie helfen wollen?«
»Ich hab höflich zu Ihnen sein wollen, Mr. Robicheaux. Ich hab gehört, dass Sie kein übler Kerl sind, jedenfalls für einen Bullen.«
»Sie sind mit einer abgesägten Schrotflinte hierher gekommen.«
»Nicht Ihretwegen.«
»Wen haben Sie sonst noch umgebracht?«
Der Regen hatte nachgelassen, hörte dann gänzlich auf, sodass die Wassertropfen, die aus den Bäumen fielen, laut auf dem Bayou widerhallten. Er nahm seinen Strohhut ab und starrte nachdenklich, aber mit einem Leuchten in den Augen, das aus dem Nichts zu kommen schien, auf die Zypressen, die Weiden und die Kletterranken.
»Die Frau von ’ner Schmalztolle hat rausgefunden, dass ihr Mann sie umlegen lassen will. Von einem Perversling, der auf Frauen spezialisiert ist. Darum hat die Frau einen Auswärtigen zugezogen, damit er ihren Mann kalt macht. Der Perversling hätte davonkommen können, aber manche Jungs müssen es einfach probieren. Niemand in Pacific Palisades hat deswegen auch nur eine schlaflose Nacht verbracht.«
»Wer hat Sie bezahlt, damit Sie Zipper Clum und Little Face Dautrieve beseitigen?«
»Das Geld wurde hinterlegt. Ich weiß bloß, dass die mich gestern umlegen wollten. Damit sitzen wir möglicherweise im gleichen Boot.«
»Irrtum.«
»Ja?«
»Ja.«
Sein Blick schweifte in die Ferne, so als wollte er die Abfuhr, die ich ihm erteilt hatte, nicht wahrnehmen. Er zupfte an seinem T-Shirt, lupfte den nassen Stoff von seiner Haut.
»Wollen Sie mich jetzt verhaften?«, fragte er.
»Sie haben eine Knarre«, erwiderte ich und grinste wieder.
»Die ist nicht geladen.«
»Ich lass es lieber nicht drauf ankommen«, sagte ich.
Er nahm die abgesägte Schrotflinte vom Sitz, legte sie quer über die Oberschenkel und zog dann sein Boot heran, bis es längsseits neben meinem lag. Er riss den Benzinschlauch von meinem Motor ab und warf ihn wie eine entzweigeschlagene Schlange in die Rohrkolben.
»Das hätten Sie lieber lassen sollen«, sagte ich.
»Ich lüge nicht, Sir. So wie manch andere, die ich kennen gelernt habe.« Er hebelte den Vorderschaftrepetierer auf und schob den Daumen in das leere Verschlussstück. Dann holte er eine Plastiktüte mit drei Patronen aus der Gesäßtasche und drückte sie in das Magazin. »Ich hab die Wumme ins Wasser fallen lassen, sodass die andern Patronen nass sind. Deshalb ist sie nicht geladen.«
»Sie haben gesagt, ›so wie manch andere‹. Wollen Sie mich als Lügner bezeichnen?«, sagte ich.
»Sie haben rumerzählt, dass ich Leute verpfeife. Ich bin in Raiford im Bunker gewesen. Ich hab noch nie jemand verraten.«
»Hören Sie mal, Johnny, Sie haben einen Rückzieher gemacht, als Sie auf Little Face Dautrieve angesetzt waren. Noch haben Sie die Linie nicht überschritten.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Tun Sie nicht so, als ob Sie mich nicht verstehen. Schauen Sie mich an.«
»Ich kann es nicht leiden, wenn man so mit mir redet, Mr. Robicheaux. Lassen Sie mein Boot los.«
Ich schaute ihn scharf an. Seine Augen waren düster, die Wangen dunkel und eingefallen wie bei einer Totenmaske, die Lippen spitz und verkniffen. Ich stieß sein Boot in die Strömung.
»Sie sind dran, mein Junge«, sagte ich.
Er warf den Motor an und raste den Bayou hinunter, blickte zu mir zurück und geriet heftig ins Schlingern, als er einer Nutria auswich, die aufs Ufer zuschwamm.
13
A m späten Vormittag telefonierte ich mit dem Gefängnispsychologen in Raiford, Florida, einer Sozialarbeiterin im Letcher County, Kentucky, und einem Vertrauenslehrer an einer Highschool in Detroit. Bis Dienstschluss lagen mir mindestens drei Dutzend Bogen Faxpapier zu Johnny Remeta vor.
An diesem Nachmittag saß Clete Purcel neben mir auf einer Holzbank am Ende des Bootsanlegers und las die Akte durch, die ich über Remeta angelegt hatte.
»Ein Auftragskiller, der einen IQ von hundertsechzig hat?«, sagte Clete.
»Und allem Anschein nach ist er früher auch nicht durch besondere Gewaltbereitschaft aufgefallen. Erst, als er nach Raiford kam.«
»Du sagst, er ist ein paar Mal unter der Dusche flachgelegt worden und will sich dafür revanchieren?«
»Ich will damit bloß sagen, dass er vermutlich kein Psychopath ist.«
Clete klappte den Aktenordner zusammen und
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