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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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natürlich in Uniform, auf dem Kaminsims stand.
    Er war eingetragenes Mitglied bei einem Schießstand im Bezirk St. Charles, packte so gut wie jedes Wochenende seine selbstgeladenen Patronen und seine drei Lieblingswaffen ein – eine .45er Automatik, das mit einem Zielfernrohr bestückte Springfield ’03 und die zivile Version des alten M-14-Sturmgewehrs – und schoss damit von einem hölzernen Unterstand aus auf die Zielscheiben, die an Drähten vor einem Erdwall aufgehängt waren.
    Sein Vater hatte immer gesagt, Treffsicherheit bestünde lediglich darin, den richtigen Winkel mit Herzschlag und Atmung in Einklang zu bringen. Die Flugbahn der Kugel wäre mathematisch berechenbar und ausschließlich physikalischen Gesetzen unterworfen. Man müsste lediglich dafür sorgen, dass die Waffe zu einem Teil des Körpers wird, ein verlängerter Arm, dass sie einem in Fleisch und Blut übergeht, damit man mit einem Fingerdruck unweigerlich das Ziel trifft.
    Alles nur eine Sache von Beherrschung und Disziplin.
    Genau wie im Leben, hatte sein Vater gesagt. Die Menschen hätten keinen Respekt mehr. Man müsste einen Führer finden, einen Mann, den man achten könnte, und ihm sein Vertrauen schenken, so wie er sein Vertrauen in einen setzt. Eine auf beiderseitige Anerkennung beruhende Ehrensache, so hatte sein Vater das immer genannt.
    Axels Wintergarten und Gästezimmer standen voller elektrischer Eisenbahnen. Die Gleise zogen sich über die Böden, über Tische und Sperrholzplatten, die auf Sägeböcken festgeschraubt waren. Sie wanden sich durch Berge aus Pappmaché und kleine Wälder, führten an Wassertürmen, Güterbahnhöfen und Siedlungen im Kleinformat vorbei; es gab winzige Bremser und Streckengänger entlang der Gleise, Weichen, über die die Züge im allerletzten Moment aneinander vorbeigeleitet wurden, sowie Warnglocken und Blinklichter an den Bahnübergängen.
    Der Geruch nach warmem Metall, Öl und überhitzten Stromkreisen, der entstand, wenn Axel alle Züge zugleich laufen ließ, erinnerte ihn immer an den sauberen beißenden Geruch des Pulverdampfs auf dem Schießplatz.
    Zwei tödliche Treffer mit seiner Dienstwaffe, einem M-16, ein dritter gemeinsam mit Burgoyne.
    Er hatte befürchtet, nach seinem ersten Opfer, einem Verdächtigen, der sich in seinem Haus verschanzt hatte, womöglich von Schuldgefühlen geplagt zu werden.
    Nichts da. Der Typ hätte jederzeit herauskommen können. Stattdessen drehte er das Gas auf und wollte sein Kind mit in den Tod nehmen. Als der Kerl gerade das Streichholz anriss, holte Axel, der bäuchlings auf einem Hausdach lag, tief Luft, atmete langsam aus und jagte eine Kugel durch die Fensterscheibe, die ihn an der Schläfe traf und den Schädel durchschlug.
    Man muss von dem, was man tut, überzeugt sein. Man muss dem Mann vertrauen, der einem Befehle gibt. Und man darf keinen Blick zurückwerfen. Das hatte sein Vater gesagt.
    Im Zweiten Weltkrieg musste es großartig zugegangen sein. Die Arbeiter verdienten tüchtig Geld und amüsierten sich beim Bowling oder beim Shuffleboard, statt sich auf dem Wasserkasten am Klo Lines reinzuziehen; man konnte ein Mädchen vom Café nach Hause bringen, ohne dass ihr irgendwelches Ganovengesocks von einem Auto aus hinterher brüllte; die Schwarzen wohnten in ihrem eigenen Stadtteil. Die Kids sammelten alte Zeitungen, Kleiderbügel und Autoreifen und brachten sie auf ihrem eigenen Leiterwagen zur Feuerwache oder zur Sammelstelle für kriegswichtige Güter. Der Feind war auf der anderen Seite des Meeres. Nicht auf den Straßen der eigenen Stadt.
    Axels gelegentliche Freundin, eine Kellnerin namens Cherry Butera, sagte hinterher, er sei niedergeschlagen gewesen, seit Jimmy Burgoyne bei der Schießerei am Atchafalaya umgekommen war. Er hatte sich ein paar Tage Urlaub genommen und war mit seiner Freundin runter nach Grand Isle gefahren. Ein Sturm wühlte das Wasser des Golfs auf, der Himmel hatte sich grün verfärbt, und die wilde Brandung war gelb vom aufgewirbelten Sand.
    »Da draußen liegt ein deutsches U-Boot. Die Küstenwache hat es ’42 mit Flugzeugen versenkt«, sagte er. »Ich wünschte, ich hätte damals schon gelebt.«
    »Wieso?«, fragte sie.
    »Weil ich gern dabei gewesen wäre. Weil ich bei all dem gern mitgemacht hätte«, erwiderte er.
    Im Regen fuhren sie nach New Orleans zurück und tranken in einer kleinen, nur zwei Straßen von seinem Haus entfernten Pizzeria ein paar Bier. Bananenstauden schlugen an die Seitenwand des Gebäudes,

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