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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Jungen.«
    »Welchem Jungen?«, fragte ich.
    »Dem, der mich auf Night Comes to the Cumberland hingewiesen hat.«
    »Das ist ja der Hammer«, sagte ich.
    »Dave, ich bin sechzehn ... Warum ziehst du so ein Gesicht?«
    »Nur so. Entschuldige.«
    »Dann tu doch nicht so trübsinnig«, sagte sie.
    »Wird gemacht«, sagte ich und starrte vor mich hin.
    Ein paar Minuten später begleitete ich Alafair und Bootsie hinaus zum Auto, mit dem sie in die Stadt fahren wollten. Die Abendsonne fiel durch die Bäume und tauchte den Boden in rotes Licht, und der Wind, der vom Bayou her wehte, roch nach Humus, dem dumpfen Moderduft aus dem Sumpf und nach Fischschwärmen, die sich da draußen tummelten.
    »Lass dich von niemandem heimbringen, den wir nicht kennen, Alafair«, sagte ich. »Sind wir uns da einig?«
    »Nein«, sagte sie.
    »Alf?«, sagte ich.
    »Hör endlich auf, mich wie ein Kind zu behandeln. Sonst sag ich überhaupt nichts mehr.«
    Bootsie warf mir hinter Alafairs Rücken einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf. »Ich bin bald wieder da, Dave«, sagte sie. Dann schaute ich ihnen hinterher, als sie in Richtung New Iberia davonfuhren.
    Ich weiß nicht, ob ich ein guter Vater war, aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass man niemals mit seiner Tochter streiten sollte, jedenfalls nicht zwischen dem dreizehnten und dem siebzehnten Lebensjahr, weil man stets den Kürzeren zieht, und wenn man sich zu Wutausbrüchen hinreißen lässt, sich nur mit Drohungen und Verboten gegen sie durchsetzen kann, schämt man sich hinterher seines Sieges und der Schwäche, die er kaschiert, und man wird nicht so leicht Vergebung dafür finden, weder bei ihr noch bei sich selbst.
    Ich saß auf der Galerie und las die Zeitung, dann breitete sich zwischen den Bäumen die Dämmerung aus, das Laub am Boden wurde dunkel und verschwamm, und auf der Straße fuhr ein Auto mit eingeschalteten Scheinwerfern vorbei. Ich sah, wie Batist aus dem Köderladen kam, die heiße Asche aus dem Grill in einen Eimer schaufelte und die Glut in hohem Bogen in den Bayou kippte.
    Ich ging hinein, legte mich aufs Sofa, breitete mir die Zeitung übers Gesicht und schlief ein. Im Traum sah ich die kahlen, wie gemeißelt wirkenden Äste eines Baums aus einer weiten, mit Kalkstaub bedeckten Ebene aufragen, in der Ferne rote Berge, Zirbelkiefern, Zedern und Kakteen, dazu Regen, der wie Rauch aus einer Wolke niederging. Dann landete ein Schwärm bunter Vögel auf dem harten, knorrigen Holz des dürren Baumes, worauf grüne Ranken aus der Borke wucherten und sich um die Zweige wanden, an deren Spitzen frisches Laub und Blütenknospen sprossen, sich mit einem Mal entfalteten wie Krepppapier, sodass der Baum aussah wie ein Mensch, der dem Himmel ein Blumenopfer darbringen will.
    Doch ein Raubvogel mit glänzendem Gefieder, Klauen und Schnabel von der Jagd befleckt, die Augen kreisrund wie Tintentropfen, die auf Messing getrocknet sind, ließ sich auf dem Baum nieder. Er breitete die Schwingen aus und krächzte laut, worauf weiße Insekten über seine Federn krochen und sein Atem die Luft mit einem Pesthauch erfüllte, der sich wie ein feuchtes Netz über den Baum und die Tropenvögel legte.
    Die Zeitung, die ich über das Gesicht gebreitet hatte, segelte zu Boden, als ich mich aufsetzte. Ich machte die Augen auf und zu und versuchte mich von dem Traum loszureißen, obwohl ich nicht wusste, was er zu bedeuten hatte. Ich hörte Bootsies Auto draußen vorfahren, und kurz darauf kam sie durch die Fliegendrahttür herein.
    »Ich bin eingeschlafen«, sagte ich, sah immer noch alles halb verschwommen.
    »Alles okay?«, sagte sie.
    »Ja, klar.« Ich ging ins Badezimmer, wusch mir das Gesicht und kämmte mir die Haare. Als ich wieder herauskam, war Bootsie in der Küche.
    »Ich hatte einen schrecklichen Traum«, sagte ich.
    »Worum ging’s?«
    »Ich weiß es nicht. Ist mit Alf alles in Ordnung?«
    »Sie ist in der Bibliothek. Sie hat mir versprochen, dass sie sich von jemand heimfahren lässt, den wir kennen.«
    Ich holte zwei Gläser aus dem Schrank über dem Ablauf, nahm einen Krug Eistee aus dem Kühlschrank und füllte sie.
    »Warum wollte sie mir nicht verraten, wer dieser Junge ist?«, fragte ich.
    »Derjenige, der ihr das Buch über die Appalachen empfohlen hat?«
    »Ja.«
    »Weil sie sechzehn ist. Dave, sieh doch nicht überall Schlechtigkeiten. Der Junge, von dem sie erzählt hat, ist Kunststudent.«
    »Wie bitte?«
    »Alafair sagt, er ist Maler. Er bemalt Keramiken.

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