Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dachte, ich sollte damit lieber nicht bis morgen warten«, sagte er. »Levy und Badeaux haben Axel Jennings’ Kombi auseinander genommen. Im Kofferraum waren vierzehntausend Dollar versteckt, lauter neue Scheine. Außerdem hatte er einen Reisepass dabei und eine Karte vom Bezirk Iberia, auf der die Strecke eingezeichnet war, auf der man vom I-10 zu Ihrem Haus gelangt.«
»Zu meinem Haus?«, sagte ich.
»Am Boden lag eine Zeitung mit einem Bild von Ihnen und einem Artikel über die Schießerei am Atchafalaya. Er hat Ihr Bild eingekreist. Er hatte es nicht auf Purcel abgesehen.«
Ich spürte, wie sich die Hitze und die Feuchtigkeit zwischen meiner Hand und dem Hörer staute. Spürte, wie mir ein Schweißtropfen aus der Achselhöhle rann.
Clete setzte die Bierdose ab und schaute mich fragend an.
Später lag ich neben Bootsie in der Dunkelheit, ließ den Luftzug des Fensterventilators über mich streichen und versuchte mir einen Reim aus dem zu machen, was sich an diesem Tag ereignet hatte. Ein korrupter Cop, der einen Auftragsmord an einem anderen Polizisten beging? Es kam manchmal vor, aber für gewöhnlich hatte das Opfer dann ebenfalls Dreck am Stecken und machte mit dem Mörder gemeinsame Sache. Und wer sollte überhaupt dahinter stecken? Jim Gable war ein Widerling und meiner Ansicht nach durch und durch verkommen, aber warum sollte er mich umbringen lassen?
Der Auftrag hätte auch von einem Straftäter stammen können, der einen Brass auf mich hatte, aber für die meisten Kriminellen stellten Polizisten, Staatsanwälte und Richter nur die Büttel eines Systems dar; persönlich trugen sie ihnen nichts nach. Ihre wahre Wut galt für gewöhnlich den Komplizen, die sie verkauften, und den Verteidigern, die ihnen langjährige Freiheitsstrafen einhandelten.
Der einzige andere Mensch, mit dem ich derzeit über Kreuz lag, war Connie Deshotel, die Generalstaatsanwältin. Und die sollte einen Killer auf einen Cop ansetzen?
Doch all die Überlegungen, die ich anstellte, dienten nur dazu, mich von dem albtraumhaften Bild abzulenken, das mir nicht aus dem Kopf gehen wollte. Ich hatte Alafair vor Augen, wie sie neben mir an dem Holztisch saß und im Schein der Kerze, die Clete gerade angezündet hatte, eine Katze streichelte. Dann meinte ich das Mündungsfeuer auf der anderen Seite des Bayous zu sehen, eine kurze, gelbe Flammenzunge vor dem Schilfrohr, und im nächsten Augenblick hörte ich den dumpfen Schlag, der ertönt, wenn ein Teilmantelgeschoss auf Knochen trifft, und ich wusste, dass es vor der Angst und der Reue, die mich Umtrieben, kein Entrinnen mehr gab.
Ich nahm mein Kissen und ging in Alafairs Zimmer. Sie hatte ein Baumwollnachthemd an und schlief auf dem Bauch, das Gesicht der Wand zugekehrt, die schwarzen Haare auf dem Kissen ausgebreitet. Der Mond drang durch die Wolken, und ich sah, dass das Fliegengitter offen stand und Tripod sich auf Alafairs Hintern eingerollt hatte. Er reckte die Schnauze hoch, schnüffelte kurz, gähnte dann und schlief weiter.
Ich legte mich am Boden hin, auf Alafairs Navajo-Teppich, und schob mir das Kissen unter den Kopf. Ihre Regale standen voller Bücher, Stofftiere, gerahmter Fotos und Urkunden für ihr Mitwirken im Chor, in der Sportauswahl und im Ehrenrat ihrer Schule. In der Kiste, die ich aus altem Zypressenholz für sie gezimmert hatte, befanden sich ihre sämtlichen Habseligkeiten, die wir im Lauf der Jahre aufgehoben hatten: ein Baby-Orca-T-Shirt, rote Tennisschuhe, auf deren Kappen die Aufschrift »Links« beziehungsweise »Rechts« prangte, eine Donald-Duck-Mütze mit einem Entenschnabel als Schirm, ihre Bücher über Curious George und Baby Squanto, den kleinen Indianer, das braune Schultertuch, das sie zur Kommunion getragen hatte, und die Kriminalgeschichten, die sie in der Grundschule geschrieben hatte, mit Titeln wie »Das Geheimnis der gierigen Raupe«, »Der Regenwurm, der sich nicht regen kann« und, der grusligste von allen, »Raubmord auf der Rollschuhbahn«.
Draußen an den Bäumen wiegte sich das Moos im Wind, als ich wieder eindämmerte.
Gegen drei Uhr morgens hörte ich, wie sie sich im Bett herumwälzte. Ich öffnete die Augen, blickte auf und sah ihr Gesicht vor mir, über die Matratze gebeugt.
»Wieso schläfst du da unten?«, flüsterte sie.
»Mir war danach.«
»Hast du gedacht, mir könnte irgendwas passieren?«
»Natürlich nicht.«
Sie schnalzte mit der Zunge, stieg dann aus dem Bett und ging in den Flur, kehrte mit einer Decke
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