Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
sich The Cutest Little Shop in Town. Der süßeste kleine Laden der Stadt. Da dreht sich einem doch der Magen um! An der Tür wies ein Schild daraufhin, dass der Genuss von Speisen und Getränken in diesem Geschäft »absolutlich und ein für allemalig« verboten sei. Ich fiel auf die Knie und dankte Gott, dass ich nie dem Besitzer begegnen würde. Der Laden war geschlossen. Ich konnte also nicht hineingehen und herausbekommen, was so süß daran war.
Fast am Ende der Straße stand ein großes, neues Hyatt Regency Hotel. Ein bedrückender Anblick. Bei dem massiven Betonklotz handelte es sich um ein Produkt jener architektonischen Schule, deren Baumeister nach dem Grundsatz Lecktmich-doch-alle-am-Arsch die Landschaft verschandeln, also um ebenjene Stilrichtung, die von den meisten großen amerikanischen Hotelketten bevorzugt wird. Nichts an diesem Bau, weder seine Größe noch sein Erscheinungsbild, passte sich in irgendeiner Weise den alten Gebäuden in seiner Nachbarschaft an. Der ganze Bau schien sagen zu wollen: »Du kannst mich mal, Savannah.« In dieser Hinsicht ist die Stadt ziemlich verunstaltet. Alle paar Häuserblocks stößt man auf eine Scheußlichkeit wie das De Soto Hilton, das Ramada Inn oder das Best Western Riverfront – alle miteinander so bildschön wie Spucke auf einem Scheißhaufen, wie man in Georgia zu sagen pflegt.
Eigentlich benutzen die Leute in Georgia diese Redewendung nicht wirklich. Ich habe sie eben erfunden. Aber klingt sie nicht, als käme sie aus dem Mund eines Südstaatlers?
Ich begann gerade, die Hässlichkeit der Hotels als persönliche Beleidigung zu empfinden, und spürte, dass ihre Trostlosigkeit sich auf mein Gemüt zu legen drohte, als ein Arbeiter vor dem städtischen Gerichtsgebäude meine Aufmerksamkeit erregte. Er trug ein Laubgebläse mit sich herum, ein lärmendes Gerät mit einem meilenlangen Kabel, das sich hinter seinem Rücken zurück ins Innere des Gebäudes schlängelte. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Es sah aus wie ein Staubsauger – eigentlich eher wie einer der Marsmenschen in dem Film Gefahr aus dem Weltraum – und machte einen ungeheuren Lärm. Vermutlich sollte man damit alle Blätter auf einen Haufen blasen und sie dann mit den Händen einsammeln. Doch immer, wenn der Mann einen kleinen Haufen Blätter beisammen hatte, wehte ein Windstoß sie in alle Himmelsrichtungen. Manchmal jagte der Mann mit seinem Gebläse einem einzelnen Blatt einen halben Häuserblock und weiter hinterher, während die anderen Blätter auf dem Haufen die Gelegenheit nutzten, um kreuz und quer durch die Gegend zu wirbeln. Ich vermute, dass das Gerät im Katalog einen durchaus tauglichen Eindruck gemacht hat, aber im wirklichen Leben niemals funktioniert. Im Vorbeigehen fragte ich mich, ob wohl die Leute von der Zwingle Company hinter dieser Fehlkonstruktion steckten.
Ich verließ Savannah über die Herman Talmadge Memorial Bridge. Diese lange, von eisernen Pfeilern getragene Brücke schwingt sich höher und höher in die Lüfte und befördert den nach Luft schnappenden Reisenden in hohem Bogen über den Savannah River nach South Carolina. Ich fuhr über eine Straße, die auf meiner Karte wie eine sich windende Küstenstraße aussah, sich aber in Wirklichkeit durch das Inland schlängelte. Dieser Küstenstreifen ist von Inseln, Meeresarmen, Buchten, Dünen
und Sandstränden gesäumt, doch von alledem sah ich kaum etwas. Die Straße war schmal, und ich kam nur langsam voran. Im Sommer, wenn sich Millionen von Urlaubern aus den Städten entlang der Ostküste auf den Weg zu Stränden und Ferienorten wie Tybee Island, Hilton Head, Laurel Bay und Fripp Island machen, muss hier die Hölle los sein. Erst bei Beaufort (ausgesprochen Bjufurt) bekam ich zum ersten Mal wirklich das Meer zu Gesicht. Hinter einer Kurve stand ich plötzlich und unverhofft vor einer spiegelglatten Bucht, mit Schilfbänken und voller Boote, still und heiter und so blau wie der Himmel. Laut Mobil Travel Guide stellen Tourismus, Militär und Rentner die drei Haupteinnahmequellen dieser Region dar. Das mag sich schrecklich anhören; Beaufort mit seinen vielen Villen und einem altmodischen Geschäftsviertel erwies sich dennoch als wirklich hübsches Städtchen. Ich parkte an der Bay Street, der Hauptdurchfahrtsstraße der Stadt, und stellte beeindruckt fest, dass die Parkgebühr ganze fünf Cent betrug. Das war wohl so ungefähr das Einzige, was man in Amerika noch für ein Fünfcentstück bekam – dreißig
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