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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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Entzücken tun. Mr. Donal O ’ Riordan, mit dem ich eine Art reservierte Freundschaft schloss – einmal etwa alle zwei bis drei Wochen trafen wir uns zum Essen im Saddle Room des Shelbourne – beschrieb mir einen skandalösen Vorfall im Leben eines Ma n nes, in dem ich schließlich den Bruder eines irischen Senators erkannte, mit dem ich einmal eine beinahe ekklesiastisch langweilige Stunde in einem Pub an der Chatham Street ve r bracht hatte. Dublin ist die einzige Stadt, die ich kenne, wo ich mich darauf freue, auf der Straße Leute zu treffen, die ich ke n ne – würde ich die Grafton Street entlangschlendern, ohne e i nen Bekannten zu sehen, würde ich mich paradoxerweise von der Kapazität der Stadt für das Unerwartete betrogen fühlen.
    Daher überraschte es mich nur anfänglich, dass ich die Frau in derselben Woche bei einer Dinner-Party wieder sah , nac h dem ich sie in einem Weingeschäft am Green getroffen hatte. Der Mann, der die Party gab, bewohnte sechs helle Zimmer mit hohen Decken in einem der georgianischen Häuser beim Fitzwilliam Square. Es handelte sich um eines jener Häuser, welches Opfer der Rokoko-Fantasie der italienischen Brüder Francini geworden war, über jedem Zimmer befand sich, wie das Siegel eines Bischofs auf einem Brief, eine zierliche Stuckrose, welche die Decke einzig und allein mit ihrer her z losen Eleganz aufrechtzuhalten schien. Unser Gastgeber g e hörte zu den Männern, die bereits mit ihrer Kleidung zur Welt gekommen zu sein schienen, daher hatte es mich überrascht, als er mir während eines langen Vortrags über Pflichten plöt z lich, weich geworden, eine Einladung in sein Haus gegeben hätte.
    Als ich ankam, fand ich vier Paare in seinem Wohnzimmer vor, die sich über Pferde unterhielten. Einer der Männer hatte erst vor kurzem ein Rennpferd gekauft, und er lud die anderen für das folgende Wochenende nach Naas ein, um es laufen zu sehen. »Arthur träumt von Pferden «, flüsterte ein Mann mir zu. »Für ein Pferd würde er die O ’ ConnelBridge hinabspri n gen. Er kauft Pferde so, wie unsereins Hemden.« Ich fragte ihn, wo der Gastgeber sei, und er deutete auf eine Tür, die in ein ähnliches Zimmer zu führen schien. Als ich dorthin ging, fand ich den Gastgeber, der emsig damit beschäftigt war, der Frau Einzelheiten der Inneneinrichtung zu erklären. Sie b e trachteten beide die Rose an der Decke, der Mann zeichnete ihre Konturen mit dem ausgestreckten Zeigefinger nach. »Aha «, sagte er , »da ist ja endlich unser Amerikaner. «
    Beim Vorstellen erfuhr ich, dass sie Engländerin war, die in Paris lebte und zu einem kurzen Urlaub in Dublin weilte. Sie war älter als ich gedacht hatte; an der Weintheke hatte sie gr ü belnd die Rieslings studiert wie eine junge Frau, die sich des Geschmacks ihres Mannes nicht sicher ist, aber als wir mitei n ander redend zu den anderen zurückgingen, konnte ich sehen, dass sie mindestens Anfang dreißig sein musste . Sie verfügte über dieses unbewußte Wissen um ihre Attraktivität, das nur Frauen dieses Alters besitzen – das Wissen, dass jede ihrer Gesten eine Aussage ist. »Sie müssen beim Essen neben mi r s itzen «, sagte sie. »Wir sind beide Fremde hier, und er hat mir gesagt, dass Sie in Ihrem Fach brilliant sind. Außerdem sind wir uns schon einmal begegnet, nicht? «
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich daran erinnern wü r den «, sagte ich und war froh darüber, dass der Zufall sie nicht verlegen machte.
    Aber wir saßen beim Essen nicht nebeneinander. Ich wurde neben die Frau des Mannes gesetzt, der wegen eines Pferdes von der O ’ Connel Bridge springen würde, und die Frau saß neben dem Gastgeber, der sich darauf konzentrierte, zwischen den Geschichten über seine Reise nach Amerika nach dem Krieg seinem Dienstmädchen Anweisungen zu geben. »Am meisten freute mich «, sagte er, »die Bereitwilligkeit der Ei n wohner, mit mir zu sprechen. Ich verbrachte zwei Wochen in Boston und weitere zwei in New York, und wo immer ich in diesen beiden Städten hinging, wurde ich von Familien bel a gert, die wissen wollten, ob die Familie Burke immer noch in Meath war, oder ob man die O ’ Boyles noch in Tipperary fi n den konnte. Ich konnte ihnen in allen Fällen versichern, dass ihre Familien die Kunst des Überlebens auch ohne Emigration gemeistert hatten. « Inmitten all dessen schenkte mir die Frau ein Lächeln, welches mich dazu veranlasste , mit Geschichten darüber herauszurücken , wie oft Iren mir gesagt

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