Streiflichter aus Amerika
alle Steine weiß an und reihten sie am Rande der Einfahrt entlang auf.) Oft gab es dazu einen Swimmingpool und einen Geschenkeladen oder ein Café.
Innen boten sie ein Maß an Komfort und Eleganz, angesichts dessen man in Entzückensschreie ausbrach – dicke Teppiche, surrende Klimaanlage, Nachttisch mit eigenem Telefon und eingebautem Radio, Fernseher am Fuß des Betts, ein eigenes Bad, manchmal einen Ankleideraum und Vibratorbetten, die einem für einen Vierteldollar eine Massage verabreichten.
Den zweiten Typ Motel bildeten die entsetzlichen. In denen nächtigten wir immer. Mein Vater, einer der großen Geizkragen der Geschichte, war der Ansicht, daß es sinnlos sei, Geld für... na ja, eigentlich für überhaupt irgend etwas auszugeben. Schon gar nicht für etwas, in dem man im Prinzip nur schlief.
Folglich logierten wir meist in Motelzimmern, in denen das Mobiliar angeschlagen und die Matratzen durchgelegen waren und in denen man regelmäßig damit rechnen konnte, nachts von einem gellenden Schrei geweckt zu werden, dem Geräusch zersplitternder Möbel und einer weiblichen Stimme, die flehte: »Nimm das Gewehr runter, Vinnie. Ich tue alles, was du sagst.« Ich möchte nicht unbedingt behaupten, daß mich diese Erfahrungen fürs Leben gezeichnet und verbittert haben, aber ich weiß noch, daß ich gesehen habe, wie Janet Leigh in Psycho im Hotel der Bates zerhackt wird, und mein erster Gedanke war: »Na, wenigstens hatte sie einen Duschvorhang.«
Aber selbst die grottenschlechtesten Motels verliehen Autoreisen eine geradezu berauschende Ungewißheit. Man wußte nie, welche Art von Komfort man am Ende eines Tages finden würde und welche kleine Freuden doch vielleicht geboten wurden. Und das verlieh dem Reisen eine Würze, mit der sich die immer gleichen Raffinessen des modernen Reisezeitalters nicht messen können.
All das änderte sich sehr rasch mit dem Aufkommen der Motelketten. Holiday Inn hatte zum Beispiel 1958 neunundsiebzig Häuser und weniger als zwanzig Jahre später fast eintausend-fünfhundert. Heute teilen sich nur fünf Ketten den Großteil der Motelkapazitäten im Lande. Reisende wollen keine Ungewißheiten mehr. Einerlei, wo sie hinfahren, sie wollen im selben Motel übernachten, dasselbe Essen essen, dasselbe Fernsehen sehen.
Als ich neulich einmal mit meiner Familie von Washington, DC, nach Neuengland fuhr, wollte ich meinen Kindern etwas von meinen Erfahrungen vermitteln und schlug vor, daß wir in einem altmodischen familienbetriebenen Motel übernachteten. Alle waren einhellig der Meinung, daß die Idee total dämlich war, aber ich behauptete standhaft, daß es ein großartiges Erlebnis sein würde.
Gut, wir suchten überall. Wir kamen an Hunderten Motels vorbei, aber sie gehörten alle den Ketten. Nach neunzig Minuten vergeblichen Herumfahrens verließ ich die Interstate zum siebten- oder achtenmal, und – siehe da! – aus der Dunkelheit strahlte das Sleepy Hollow Motel, noch original so wie in den fünfziger Jahren.
»Auf der anderen Straßenseite ist ein Comfort Inn«, sagte eins meiner Kinder mit Nachdruck.
»Wir wollen nicht in ein Comfort Inn, Jimmy«, erklärte ich und vergaß einen Moment lang, daß ich gar kein Kind namens Jimmy habe. »Wir wollen in ein richtiges Motel.«
Meine Frau bestand darauf, sich das Zimmer anzusehen. Schließlich ist sie Engländerin. Es war natürlich grauslich. Die Möbel waren angeschlagen, die Teppiche abgelaufen, und es war so kalt, daß man seinen Atem sehen konnte. Und der Duschvorhang hing nur noch an drei Ringen.
»Es hat eine eigene Note«, behauptete ich.
»Und Läuse«, sagte meine Frau. »Du findest uns im Comfort Inn gegenüber.«
Ungläubig sah ich, wie meine gesamte Familie hinausmarschierte. »Du bleibst doch hier, Jimmy, oder?« sagte ich, aber selbst er trollte sich, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
Etwa fünfzehn Sekunden stand ich da, schaltete dann das Licht aus, brachte den Schlüssel zurück und ging hinüber zum Comfort Inn. Es war völlig reizlos und wie jedes andere Comfort Inn, in dem ich je übernachtet habe. Aber es war sauber, der Fernseher funktionierte, und zugegeben, der Duschvorhang war sehr hübsch.
Unser Freund, der Elch
Eben hat meine Frau hochgerufen, daß das Essen auf dem Tisch ist (mir wäre ja lieber, es wäre auf den Tellern, aber so geht's), also wird die Kolumne diese Woche vielleicht kürzer als sonst.
In unserem Haus kriegen Sie nämlich, wenn Sie nicht binnen fünf Minuten am
Weitere Kostenlose Bücher