Streiflichter aus Amerika
Taschendieben und habgierigen Kellnern und gibt sogar Ratschläge, wie man seine Fluggesellschaft verklagt, wenn man auf dem Flug durchgeschüttelt wird. Mr. Whitman erwartet eindeutig, daß die Dinge immer schieflaufen. Sein erster Tip zum Umgang mit den Gegebenheiten in europäischen Hotels lautet: »Lassen Sie sich den Namen des Angestellten an der Rezeption nennen, wenn Sie Ihren Zimmerschlüssel ausgehändigt bekommen.« Hinsichtlich Flugtickets rät er: »Lesen Sie alle Unterlagen gründlich durch, damit Sie Ihre Rechte kennen.«
Ja, er schlägt einem so manches Nützliche vor, unter anderem, ein, zwei Stifte mitzunehmen und ein »Bitte, nicht stören!«-Schild vor die Hotelzimmertür zu hängen, wenn man nicht gestört werden will. (Das habe ich nicht erfunden! Er rät sogar, es über den Türknauf zu hängen.) Weise bemerkt er (weil nichts seinem geübten Auge entgeht), daß Europa hinsichtlich Unterkunft »vielfältige Möglichkeiten zum Übernachten« bietet.
Und warnt an anderer Stelle: »In vielen europäischen Hotelzimmern und WCs finden Sie Bidets«, nicht ohne vorsichtshalber hinzuzufügen: »Wenn Sie Ihrer persönlichen Hygiene wegen mit diesen toilettenförmigen Porzellanvorrichtungen experimentieren möchten, bitte schön.« Danke für die Erlaubnis, Mr. Whitman, aber um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich habe gerade alle Hände voll zu tun mit dem »Bitte nicht stören! «-Schild.
Joseph Raff wiederum gibt uns ein nützliches Glossar an die Hand, damit wir mit solch rätselhaften britischen Begriffen wie »queue (Warteschlange)«, »flat (Mietwohnung)«, »chips (Pommes frites)« und – das werde ich mein Leben lang nicht vergessen – »motorcar (Automobil)« etwas anfangen können. Zum Schluß behauptet er im Brustton der Überzeugung, daß ein Familienname der Vorname und der Taufname der Nachname ist, was eine nützliche Information wäre, wenn sie nicht vollkommen falsch wäre.
Leider wimmeln diese Bücher überhaupt von Fehlern. Ich habe gelernt, daß das Bier, das man trinkt, »Bitters« und nicht etwa »Bitter« und der Markt in London »Covent Gardens« und nicht »Covent Garden« heißt, daß man, wenn man ausgeht, gern ins »Cine« geht und nicht »to the pictures«, daß man im Lake District den »Scarfell Pike«, nicht etwa den »Scafell Pike« erklimmen kann und – das hat mir besonders gefallen –, daß der elisabethanische Architekt »Indigo« Jones heißt. Inigo würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das läse.
In Wirklichkeit ist mir natürlich klargeworden, daß die Amerikaner neue Reiseführer brauchen. Ich überlege, ob ich nicht selber einen verfassen soll. Ich würde Tips geben wie »Um die Aufmerksamkeit eines nie greifbaren Obers zu erregen, strecken Sie zwei Finger aus und wedeln Sie mehrmals heftig mit der Hand. Er
wird Sie als Einheimischen betrachten.« Und natürlich: »Fragen Sie nie einen Mann namens Clive, wo er wohnt.«
Aussterbende Akzente
Ab und zu erledigt ein Mann hier bei uns im Haus ein paar Tischlerarbeiten. Er heißt Walt und sieht aus, als sei er einhundertundzwölf Jahre alt. Aber meine Güte, kann der Bursche sägen und hämmern! Seit mindestens fünfzig Jahren übernimmt er überall in der Stadt kleine Handwerkerjobs.
Walt wohnt in Vermont, gleich auf der anderen Seite des Connecticut River, und ist ein Neuengländer aus echtem Schrot und Korn – fleißig und rechtschaffen und von Natur aus unwillig, Zeit, Geld oder Worte zu verschwenden. (Er redet, als habe er gehört, daß man ihm eines Tages eine Rechnung für die Anzahl der Sätze präsentieren werde.) Außerdem ist er Frühaufsteher – wie alle Neuengländer. Junge, Junge, was sind die Leute hier zeitig auf den Beinen.
Wir haben englische Freunde, die vor ein paar Jahren aus Surrey hierhergezogen sind. Kurz nach ihrer Ankunft rief die Frau einen Zahnarzt an, weil sie einen Termin brauchte, und wurde beschieden, sie möge am nächsten Tag um halb sieben kommen. Als sie am folgenden Abend auftauchte, stellte sie fest, daß die Praxis im Dunkeln lag. Sie war für halb sieben morgens bestellt gewesen. Wenn man Walt sagte, er solle um diese Zeit zum Zahnarzt kommen, würde er garantiert fragen, ob es nicht ein wenig früher ginge.
Jedenfalls stand er neulich ein paar Minuten vor sieben bei uns auf der Matte und entschuldigte sich für sein Zuspätkommen, weil der Verkehr in Norwich »heftig« gewesen sei. Interessant daran war nicht die Vorstellung, daß der Verkehr in Norwich je heftig
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