Streiflichter aus Amerika
untersuchen, gibt es allen möglichen High-Tech-Schnickschnack. Aber die Regierung ist zu geizig, um in so etwas zu investieren. Also wird das Fleisch weiterhin visuell inspiziert. Sie können sich ja vorstellen, wie aufmerksam ein schlechtbezahlter staatlicher Fleischbeschauer jedes der acht-zehntausend identischen gerupften Hähnchen beäugt, die jeden Tag seines Arbeitslebens auf einem Fließband an ihm vorbeigleiten. Nennen Sie mich einen Zyniker, aber ich bezweifle doch sehr, daß dieser Mann nach mehr als einem Dutzend Jahren immer noch aufjubelt: »He, da kommen noch ein paar Hähnchen. Die könnten interessant sein.« Außerdem – und man sollte doch meinen, daß irgend jemandem das irgendwann einmal aufgefallen wäre – sind Mikroorganismen für das bloße Auge sowieso unsichtbar.
Folglich sind bis zu zwanzig Prozent aller Hühnchen und Hähnchen und neunundvierzig Prozent der Puten nach eigenem Eingeständnis der Regierung verseucht. Was das alles an Krankenfolgekosten verursacht, kann sich jeder selbst ausrechnen. Aber es wird allgemein angenommen, daß pro Jahr bis zu achtzig Millionen Menschen an fabrikverseuchten Nahrungsmitteln erkranken, was der Wirtschaft irgendwas zwischen fünf und zehn Milliarden an vermeidbaren Krankenkosten, verlorener Produktivität etc. pp. beschert. In den USA sterben jedes Jahr neuntausend Menschen an Lebensmittelvergiftung.
Womit wir wieder bei der guten alten FAA wären. (Sind wir natürlich nicht, aber ich mußte ja irgendwie darauf zurückkommen.) Ob die FAA die ineffizienteste Bürokratie ist oder nicht, sei dahingestellt, aber sie ist ohne jeden Zweifel diejenige, die mein Leben in der Hand hat, wenn ich mehr als zehntausend Meter über der Erde bin. Sie können also meine Besorgnis ermessen, als ich hörte, daß sie die Flugsicherung bei uns hier Leuten übergeben, an deren Namen sie sich nicht einmal erinnern.
Laut unserer Zeitung ist die Übergabe Ende des Monats perfekt. Drei Tage danach bin ich unwiderruflich verpflichtet, von diesem Flughafen aus nach Washington zu fliegen. Ich erwähne das nur für den Fall, daß Sie hier in ein paar Wochen eine leere Spalte erblicken.
Aber das wird schon nicht passieren. Ich habe gerade meine Frau gefragt, was wir zum Abendbrot essen. Putenfrikadellen, hat sie gesagt.
Ein Tag am Strand
Jedes Jahr um diese Zeit weckt mich meine Frau morgens mit einem spielerischen Klaps und sagt: »Ich habe eine Idee. Laß uns drei Stunden zum Ozean fahren, die meisten unserer Kleider ausziehen und einen ganzen Tag lang auf einem bißchen Sand sitzen.«
»Warum?« frage ich argwöhnisch.
»Es macht Spaß«, behauptet sie.
»Das glaube ich nicht«, erwidere ich. »Die Leute finden es anstößig, wenn ich in der Öffentlichkeit mein Hemd ausziehe. Ich selbst finde es anstößig.«
»Nein, nein, es wird toll. Wir kriegen Sand ins Haar. Wir kriegen Sand in die Schuhe. Wir kriegen Sand in unsere Butterbrote und dann in den Mund. Wir kriegen einen Sonnenbrand, und vom vielen Wind juckt uns die Haut. Und wenn wir keine Lust mehr zum Rumsitzen haben, können wir ein bißchen im Wasser planschen, das so kalt ist, daß es einem weh tut. Am Ende des Tages brechen wir zur selben Zeit wie siebenunddreißigtausend andere Leute auf und geraten in einen solchen Verkehrsstau, daß wir erst um Mitternacht nach Hause kommen. Ich kann beißende Bemerkungen zu deinen Fahrkünsten machen, und die Kinder können sich die Zeit damit vertreiben, sich mit scharfen Gegenständen zu stechen. Hei, das wird ein Spaß!«
Das Tragische ist, daß meine Frau wirklich findet, daß es Spaß macht, denn sie ist Engländerin und mithin keinem vernünftigen Argument zugänglich, sobald es um Salzwasser geht. Ehrlich gesagt, habe ich die Liebe der Briten zum Strand nie begriffen.
Iowa, wo ich aufgewachsen bin, ist eintausendundsechshundert Kilometer vom nächsten Ozean entfernt. Deshalb denke ich bei dem Wort Ozean (und ich glaube, die meisten anderen Bewohner des Staates auch) an alarmierende Dinge wie Kabbelung und Unterströmungen. (Die Leute in New York ergreift wahrscheinlich eine ähnliche Panik, wenn man Begriffe wie Maisfeld oder Provinzjahrmarkt fallenläßt.) Der Ahquabi-See, in und an dem ich meine entscheidenden Schwimm- und Sonnenbrandlektionen absolvierte, ist sicher nicht so romantisch wie Cape Cod oder so grandios wie die felsdurchzogene Küste von Maine, man wurde dort aber auch nicht am Bein geschnappt und hilflos zappelnd nach Neufundland
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