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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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abgeschleppt. Nein, bitte, bleiben Sie mir weg mit dem Meer und allem, was darin ist.
    Als deshalb meine Frau am letzten Wochenende eine Fahrt zum Ozean vorschlug, sprach ich ein Machtwort und sagte: »Niemals – mit mir nicht«, was natürlich der Grund war, weshalb wir drei Stunden später an der Kennebunk Beach in Maine landeten.
    Angesichts meines trubeligen, abenteuerlichen Lebens glauben Sie sicher gar nicht, daß ich bis dahin erst zweimal an amerikanischen Meeresgestaden gewesen war. Einmal in Kalifornien; da war ich zwölf und schaffte es, mir alle Haut von der Nase abzuschürfen, weil (die Story ist wahr) ich eine zurückrollende Welle zeitlich falsch eingeschätzt hatte, wie das nur jemandem aus Iowa passieren kann, und kopfüber in puren, grobkörnigen Sand tauchte. Das zweitemal während meines Studiums in Florida; aber da war ich zu betrunken, um ein so unauffälliges landschaftliches Merkmal wie einen Ozean zu bemerken.
    Ich kann also nicht so tun, als könne ich mit der Autorität des Sachkundigen sprechen. Ich kann Ihnen nur versichern, daß die amerikanischen Strände vollkommen anders als die britischen sind, falls man das nach der Kennebunk Beach beurteilen kann. Zunächst einmal gibt es dort weder eine Mole noch eine Strandpromenade, noch Einkaufspassagen; auch keine Läden, in denen wundersamerweise alles ein Pfund kostet, oder solche in denen man anzügliche Postkarten oder kecke Hüte erstehen kann, keine Tearooms oder Fish-and-Chips-Buden; keine Wahrsagerinnen; keine körperlose, rauchige Stimme, die aus der Bingohalle seltsam verschlüsselte Botschaften haucht: »Nummer siebenunddreißig – der Pfarrer ist schon wieder in den Büschen.«
    Die Kennebunk Beach war völlig frei von Kommerz. Es gab nur eine Straße, die von Sommervillen gesäumt war, einen langen, sonnenbeschienenen Strand und dahinter ein unendliches, feindliches Meer.
    Was übrigens nicht bedeutete, daß es den Sonnenhungrigen – vielen Hunderten – an irgend etwas mangelte. Denn was Essen, Getränke, Sonnenschirme, Windschutzplanen, Klappstühle und schnittige Schlauchboote betraf, hatten sie alles mitgebracht, was sie je brauchen würden. Amundsen ist schlechter ausgerüstet zum Südpol gezogen als diese Leute zur Kennebunk Beach.
    Im Gegensatz dazu boten wir einen eher bemitleidenswerten Anblick. Abgesehen davon, daß wir weißer waren als die Flanken eines Greises, bestand unsere gesamte Ausrüstung aus drei Strandtüchern und einer Basttasche, in der sich nach englischer Art eine Flasche Sonnencreme, ein unerschöpflicher Vorrat an Feuchtigkeitstüchern, eine Extraunterhose für jeden (für eventuelle Verkehrsunfälle, die einen Besuch in der Ersten Hilfe erforderlich gemacht hätten) und ein bescheidenes Paket belegte Brote befanden.
    Unser Jüngster – den ich mittlerweile lieber Jimmy nenne, es könnte ja sein, daß er eines Tages Verleumdungsanwalt wird –sagte nach einem Blick in die Runde: »Okay, Dad, paß auf! Ich brauche ein Eis, eine Luftmatratze, ein Deluxe-Eimer- und Schüppchenset, einen Hot dog, Zuckerwatte, ein aufblasbares Dingi, Taucherausrüstung, meine eigene Wasserrutsche, eine Käsepizza mit Extrakäse und eine Toilette.«
    »Das alles gibt's hier nicht, Jimmy«, kicherte ich.
    »Zur Toilette muß ich aber wirklich.«
    Ich erstattete meiner Frau Bericht. »Dann mußt du mit ihm nach Kennebunkport fahren«, sagte sie frohgemut von unter einem grotesken Sonnenhut her.
    Kennebunkport ist eine alte Stadt an einer Straßenkreuzung ein paar Kilometer vom Strand entfernt und wurde lange, bevor jemand an Autos gedacht hat, angelegt. Sie war von Fahrzeugen aus allen Richtungen verstopft. Wir parkten entsetzlich weit außerhalb des Stadtzentrums und begaben uns auf die Suche nach Toiletten. Als wir eine fanden (es war die Rückwand der Rite-Aid-Apotheke – aber erzählen Sie das bitte nicht Mrs. B.), mußte Klein-Jimmy nicht mehr.
    Dann fuhren wir zum Strand zurück. Als wir etliche Stunden später dort ankamen, stellte ich fest, daß alle schwimmen gegangen waren und nur noch ein halbaufgegessenes Butterbrot übrig war. Ich setzte mich auf ein Handtuch und begann an dem Brot zu knabbern.
    »Ach, schau«, sagte Tochter Nummer zwei fröhlich zu ihrer Mutter, als sie wenige Minuten darauf der Gischt entstiegen.
    »Daddy ißt das Brot, das der Hund fressen wollte.«
    »Sag mir, daß das nicht stimmt«, wimmerte ich.
    »Keine Bange, Liebes«, beruhigte mich meine Frau. »Es war ein Irischer Setter. Die sind

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