Streiflichter aus Amerika
jüngstes Kind, Baseballschläger über der Schulter, Gap auf dem Kopf, zu mir hoch und fragte, ob ich Lust hätte, ein bißchen Ball mit ihm zu spielen. Ich versuchte gerade, eine wichtige Arbeit fertig zu machen, bevor ich auf eine längere Reise ging, und hätte beinahe mit Bedauern abgelehnt, doch da fiel mir ein, daß mein Sohn nie wieder sieben Jahre, einen Monat und sechs Tage alt sein würde und wir diesen Moment besser nutzten, solange es noch möglich war.
Also gingen wir auf den Rasen vor dem Haus, und jetzt, jetzt wird's gefühlsduselig. Denn was jetzt passierte, war von so elementarer, reiner Schönheit, daß ich es kaum in Worte fassen kann. Die Abendsonne fiel über den Rasen, mit kindlich ernstem Eifer stand mein Sohn da, wir machten dieses ultimative Vater-Sohn-Ding und waren rundum glücklich, einfach nur zusammenzusein. Ich konnte gar nicht mehr begreifen, daß ich je gemeint hatte, es sei lohnender und wichtiger, einen Artikel zu Ende zu schreiben oder ein Buch zu verfassen oder überhaupt irgend etwas anderes zu tun.
Ja, und diese ganze plötzliche Empfindsamkeit rührt daher, daß wir vor etwa einer Woche unseren ältesten Sohn zu einer kleinen Universität in Ohio gebracht haben. Er ist von unseren vieren der erste, der aus dem Nest fliegt. Nun ist er weg – weit weg, erwachsen, unabhängig –, und ich merke auf einmal, wie schnell die Kinder gehen.
»Wenn sie erst an der Universität sind, kommen sie im Grunde nie wieder zurück«, sagte uns neulich eine Nachbarin wehmütig, die zwei Kinder verloren hat.
Das wollte ich gar nicht hören. Ich wollte hören, daß sie ständig zurückkommen, nur diesmal ihre Kleider an den Haken hängen, einen bewundern, weil man so intelligent und witzig ist, und daß sie »keinen Bock mehr auf Piercing haben«. Aber die Nachbarin hatte recht. Unser Sohn ist fort. Die Leere, die im Hause herrscht, beweist es.
Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, denn selbst wenn er in den letzten Jahren da war, war er, genaugenommen, nicht da, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wie die meisten Teenager wohnte er in unserem Haus, aber nicht im eigentlichen Sinne des Wortes – es war eher so, daß er ein paarmal am Tag vorbeikam, nachschaute, was im Kühlschrank war, oder, ein Handtuch um die Hüfte geschlungen, von Zimmer zu Zimmer lief und rief: »Mum, wo ist mein...?« Gelegentlich sah ich auch seinen Kopf, der über den Sessel vor dem Fernseher ragte, auf dessen Bildschirm sich Asiaten die Schädel eintraten. Doch hauptsächlich logierte unser Filius an einem Ort namens »nicht da«.
Meine Rolle bei seinem Studienanfang bestand dann darin, Schecks auszustellen – einen nach dem anderen – und in dem Maße blasser und entsetzter dreinzuschauen, wie die Summen in die Höhe kletterten. Sie glauben ja nicht, wie teuer es heutzutage in den Vereinigten Staaten ist, ein Kind studieren zu lassen. Vielleicht liegt es daran, daß wir in einem sozialen Umfeld wohnen, in dem man mit großem Ernst an die Sache rangeht. Denn hier fährt fast jeder Jugendliche, der studieren will, erst einmal los und schaut sich ein halbes Dutzend und mehr in Frage kommender Hochschulen an, was natürlich mit enormen Unkosten verbunden ist. Dann fallen die Gebühren für die Universitätseingangsprüfungen an und davon unabhängig ein Obolus für jede Alma mater, an der man sich beworben hat.
All das aber ist ein Klacks gegenüber den Kosten für das Studium selbst. Die Ausbildung meines Sohnes verschlingt neun-zehntausend Dollar im Jahr, und das ist heutzutage, habe ich mir sagen lassen, sogar noch preiswert. Manche Bildungsstätten nehmen bis zu achtundzwanzigtausend Dollar an Studiengebühren. Hinzu muß man dreitausend Dollar im Jahr für die Miete des Zimmers rechnen, zweitausendvierhundert für Essen, etwa siebenhundert für Bücher, sechshundertfünfzig für Kranken- und sonstige Versicherungen und siebenhundertzehn für »Aktivitäten«. Worin die bestehen, fragen Sie mich bitte nicht. Ich unterschreibe nur die Schecks.
Obendrauf kommen noch die Ausgaben für die Flüge von und nach Ohio zu Thanksgiving, Weihnachten und Ostern – also, Ferien, bei denen jeder zweite Student in den USA fliegt und die Flugpreise schwindelerregende Höhen erreichen –, plus Fernerliefen-Posten wie Taschengeld und Ferngespräche. Meine Frau ruft ihn ja jetzt schon jeden zweiten Tag an und fragt, ob er genug Geld hat, obwohl ich sie immer wieder daraufhinweise, die Frage müßte umgekehrt gestellt
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