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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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werden, ob wir noch genug Geld hätten. Vier Jahre lang wird sich auch nichts daran ändern. Im Gegenteil: Im nächsten Herbst fängt meine Tochter an zu studieren, und dann haben wir das alles doppelt gemoppelt.
    Ich hoffe also, daß Sie mir verzeihen, wenn ich Ihnen erzähle, daß die emotionalen Erschütterungen zunächst von den nicht enden wollenden pekuniären ziemlich überlagert wurden. Daß unser Sohn aus unserem Leben verschwand und sein eigenes begann, begriff ich deshalb auch erst richtig, als wir ihn in seiner Studentenbude absetzten und er rührend hilflos und verloren zwischen diversen Pappkartons und Koffern in einem einer Gefängniszelle nicht unähnlichen, spartanisch eingerichteten Raum stand.
    Jetzt, da wir wieder zu Hause sind, ist es noch schlimmer. Im Fernsehen läuft kein Kickboxen mehr, im hinteren Flur stapeln sich keine Riesenturnschuhberge, niemand ruft vom obersten Treppenabsatz herunter »Mum, wo ist mein...?«, und niemand, der so groß ist wie ich selbst, nennt mich mehr »Doofi« oder sagt: »Hübsches Hemd, Dad, hast du es einem Asylanten abgezogen?« Jetzt weiß ich, daß ich es bisher genau falsch herum verstanden habe. Selbst wenn mein Sohn nicht hier war, war er hier. (Und nun verstehen Sie sicher, was ich meine.) Jetzt jedenfalls ist er definitiv nicht mehr hier.
    Es bedarf nur der einfachsten Dinge – eines zusammengeknüllten Sweatshirts auf dem Rücksitz des Autos, eines gekauten Kaugummis an einer offensichtlich unangebrachten Stelle –, und ich könnte hemmungslos losplärren. Mrs. Bryson braucht keine Anlässe. Sie plärrt hemmungslos – am Spülbecken, im Badezimmer, beim Staubsaugen. »Mein Kleiner«, jammert sie verzweifelt, putzt sich mit besorgniserregendem Trompeten an jedem erreichbaren Stück Stoff die Nase und wimmert noch ein bißchen mehr.
    In den letzten Wochen habe ich mich immer wieder dabei ertappt, daß ich stundenlang ziellos durchs Haus latschte und die eigenartigsten Dinge betrachtete – einen Basketball, die Renntrophäen, ein altes Ferienfoto. Und dann muß ich an all die unbekümmert ad acta gelegten Gestern denken, die sie verkörpern. Ich bin nicht nur überrascht, wie schwer mir die Einsicht fällt, daß mein Sohn nicht mehr hier ist, sondern vor allem davon, wie langsam ich begreife, daß der Junge, der er war, für immer fort ist. Ich würde alles dafür geben, sie beide wieder hier zu haben. Aber das ist natürlich utopisch. Das Leben geht weiter. Die Kinder werden groß und ziehen davon, und wenn Sie das nicht schon wissen – glauben Sie mir, es passiert schneller, als Sie denken.
    Und deshalb mache ich jetzt Schluß und gehe vors Haus ein bißchen Baseballspielen, solange ich noch die Möglichkeit dazu habe.

    Unterhaltsames von den Highways

    Wir sind also kürzlich von New Hampshire nach Ohio gefahren, um meinen ältesten Sohn an einer Universität abzuliefern, die sich erboten hatte, ihn während der nächsten vier Jahre gegen ein Entgelt, das im Kostenbereich für einen Mondflug liegt, zu beherbergen und auszubilden.
    Verschwiegen habe ich bislang, wie alptraumhaft die ganze Angelegenheit war. Verstehen Sie mich bitte recht, ich liebe meine Frau und meine Kinder heiß und innig, einerlei, wieviel sie mich per annum an Markenschuhwerk und Nintendo-Spielen kosten (ehrlich gesagt, viel). Aber das heißt nicht, daß ich jemals wieder eine Woche mit ihnen auf einem amerikanischen Highway in einen Metallkäfig eingeschlossen verbringen möchte.
    Und zwar nicht wegen meiner Lieben, muß ich schnell hinzufügen, sondern wegen der Highways. Ach, sind die langweilig! Als Engländer können Sie sich ein solches Ausmaß an Langeweile gar nicht vorstellen (höchstens, wenn Sie aus Stevenage kommen). Teil des Problems ist, daß die Highways unendlich lang sind. Von New Hampshire bis in die Mitte Ohios sind es eintausenddreihundertundsechzig Kilometer, und zurück – das kann ich persönlich bezeugen – ist es noch einmal genausoweit. Und auf dem ganzen langen Weg gibt es nichts, über das man sich freuen (oder aufregen) kann.
    Früher war das anders. Als ich klein war, jagte eine Abwechslung die andere. Nichts Tolles, aber das machte nichts. Irgendwann am Tag konnte man immer darauf zählen, daß man eine Plakatwand erblickte, auf der zum Beispiel stand: »Besuchen Sie den weltberühmten Atomfelsen – Er glüht wirklich!« Ein Stück weiter verkündete ein Mammutschild: »Schauen Sie sich den Felsen an, der selbst der Wissenschaft Rätsel

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