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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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machen sie es teurer und komplizierter.
    Und damit sind wir bei unseren zwei wichtigen Lektionen des Tages angelangt. Erstens, vergessen Sie nie, daß sich Bequemlichkeit auf Dämlichkeit reimt. Zweitens, schicken Sie Ihre Kinder zu einer Garagentürreparierschule.

    Dann verklagen Sie mich doch!

    Ich habe einen Freund, der in Großbritannien an der Uni arbeitet und kürzlich von Rechtsanwälten einer amerikanischen Kanzlei gebeten wurde, als Sachverständiger aufzutreten. Zwecks eines gemeinsamen Treffens wollten sie den Chef der Kanzlei und zwei Assistenten nach London schicken, hieß es.
    »Wäre es nicht einfacher und billiger, wenn ich nach New York flöge?« schlug mein Freund vor.
    »Ja«, lautete die prompte Antwort, »aber so können wir dem Klienten die Kosten für drei Flüge auf die Rechnung setzen.«
    Da haben Sie's! So funktioniert das amerikanische Anwaltshirn.
    Ich bezweifle ja nicht, daß eine erkleckliche Anzahl hiesiger Rechtsanwälte – na, jedenfalls zwei – wunderbar wertvolle Arbeit leisten, für die das meines Wissens übliche Honorar von einhundertundfünfzig Dollar die Stunde vollauf gerechtfertigt ist. Schade nur, daß es zu viele gibt. Denn – und nun kommen ein paar wahrhaft ernüchternde Zahlen –, die Vereinigten Staaten haben mehr Anwälte als der Rest der Welt zusammen. Gegenüber einer schon üppigen Zahl von zweihundertundsechzigtausend im Jahre 1960 sind es heute fast achthunderttausend. Wir können uns nun rühmen, daß bei uns auf einhunderttausend Einwohner dreihundert Anwälte kommen. In Großbritannien sind es zweiundachtzig, in Japan gerade mal elf.
    Und diese Anwälte brauchen natürlich alle Arbeit. In vielen Bundesstaaten dürfen sie mittlerweile für sich werben, und die meisten tun das auch voller Enthusiasmus. Man kann keine halbe Stunde fernsehen, ohne daß zumindest ein Werbespot über den Bildschirm flimmert, in dem ein grundehrlich dreinblickender Anwalt sagt: »Hallo, ich bin Winny Aalglatt von der Kanzlei Beuge und Schmier. Wenn Sie bei der Arbeit eine Verletzung oder einen Verkehrsunfall erlitten haben und meinen, ein bißchen zusätzliches Geld käme nun ganz gelegen, kommen Sie zu mir, und wir finden schon jemanden, den wir verklagen können.«
    Wie allseits bekannt, gehen Amerikaner im Handumdrehen vor Gericht. Ja, ich behaupte, irgendwo ist sicher schon jemand wegen einer umgedrehten Hand vor den Kadi gezogen und hat zwanzig Millionen Dollar für die ihm dadurch zugefügten Qualen und Leiden erstritten. Hier ist man wirklich allgemein der Meinung, wenn etwas aus irgendeinem Grunde schiefgeht und man ist nur halbwegs in der Nähe, sollte man auch einen Batzen Geld dafür kassieren.
    Hübsch illustriert wurde das vor einigen Jahren, als sich in einer Chemiefabrik in Richmond, Kalifornien, eine Explosion ereignete, bei der Abgase über die Stadt geweht wurden. Binnen Stunden stürzten sich zweihundert Anwälte und deren Gehilfen auf die aufgeregte Einwohnerschaft, teilten Geschäftskarten aus und rieten den Leuten, sich im Krankenhaus der Stadt vorzustellen. Was zwanzigtausend Einwohner begeistert taten.
    Wenn man die Fernsehbilder davon sieht, meint man, es handle sich um eine Open-air-Party. Von den zwanzigtausend glücklich lächelnden, offenbar pupsgesunden Leutchen, die sich vor den ErsteHilfe-Räumen des Krankenhauses zur Untersuchung einfanden, wurden nur zwanzig wirklich hereingelassen. Obwohl die Zahl der nachweisbaren Verletzungen, vorsichtig ausgedrückt, gering war, beanspruchten siebzigtausend Bürger – praktisch alle – Schadensersatz. Die Firma erklärte sich zu einer Zahlung von einhundertundachtzig Millionen Dollar bereit. Davon bekamen die Anwälte vierzig Millionen.
    Jedes Jahr werden in diesem prozeßgeilen Land mehr als neunzig Millionen Klagen angestrengt – das ist eine pro zweieinhalb Einwohner –, und viele davon sind, gelinde gesagt, kühn. Während ich das hier schreibe, prozessiert ein Elternpaar in Texas gegen einen High-School-Baseballtrainer, weil er dessen Sohn während eines Spiels auf die Bank geschickt hat. Sie behaupten, ihr Sprößling sei gedemütigt worden und habe extreme seelische Qualen erlitten. Im Staate Washington verklagt derweil ein Mann mit Herzproblemen eine dortige Molkerei, »weil sie ihn auf ihren Milchkartons nicht vor dem Cholesterin gewarnt« hat. Und Sie haben doch gewiß von der Frau in Kalifornien gelesen, die die Walt Disney Company belangt, weil sie und Angehörige ihrer Familie auf einem

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