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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Mühe darauf, ein Pigment zu ernähren, das schlichten Gemütern wie mir das Herz erfreut, aber nichts für den Baum tut.
    Manche Baumarten treiben es sogar noch weiter und produzieren, koste es, was es wolle, gewisse Anthozyane, die die spektakulären Orange- und Scharlachrottöne hervorbringen und eben charakteristisch für Neuengland sind. Die Bäume hier produzieren nicht etwa mehr von diesen Anthozyanen, sondern das Klima und der Boden in Neuengland bieten genau die richtigen Bedingungen, damit sich die Farben so glorios entfalten können. In einem nasseren oder wärmeren Ambiente, klappt das bei weitem nicht so gut.
    Doch jetzt kommt das größte Mysterium. In jedem Jahr setzen sich buchstäblich Millionen Menschen, von den Einheimischen liebevoll »Blattglotzer« genannt, ins Auto, fahren weite Strecken nach Neuengland und verbringen ein ums andere Wochenende damit, durch Kunsthandwerk- und Trödelläden zu trotten, die »Norm's Antiquitäten und Sammlerstücke« heißen.
    Aber nicht mehr als 0,05 Prozent der Blattglotzer, schätze ich, bewegen sich weiter als vier Meter fünfzig von ihren fahrbaren Untersätzen weg. Was für ein unerklärliches, seltsames Verhalten! Da ist man am Rande des Paradieses und nimmt es nicht zur Kenntnis.
    Die Leute verpassen nicht nur die Freuden des Waldes in der freien Natur, die frische Luft, die satten, würzigen Düfte, das unbeschreibliche Entzücken, durch Haufen trockener Blätter zu stapfen – nein, sie verpassen auch das einzigartige Vergnügen zu hören, wie in einem angenehmen, unverkennbar angelsächsisch getönten Iowa
    Näseln »Take me Home, Country Road« ertönt und von den Bergen widerhallt. Und dafür, auch wenn ich es selbst sage, lohnt es sich definitiv, aus dem Auto zu steigen und ein paar Schritte zu laufen.

    Eine kleine Unbequemlichkeit

    Heute ist unser Thema Bequemlichkeit in den Vereinigten Staaten, denn je bequemer angeblich alles wird, desto unbequemer wird es in Wirklichkeit.
    Darüber habe ich neulich nachgedacht, als ich mit meinen jüngeren Sprößlingen zum Mittagessen in ein Burger King ging und am Autoschalter eine Schlange von ungefähr einem Dutzend Fahrzeugen stand. Ein Autoschalter ist nun trotz seines vielversprechenden Namens keine Gangschaltung, sondern ein Schalter, vor den man fährt und sich Essen abholt, das man vorher auf dem Weg dorthin durch eine Gegensprechanlage bestellt hat. Er soll allen, die es eilig haben, rasch ihr Essen zum Mitnehmen verschaffen.
    Wir jedoch parkten unser Auto, spazierten in das Restaurant, bestellten und aßen und waren binnen zehn Minuten wieder draußen. Beim Hinausgehen fiel mir auf, daß ein weißer Kleintransporter, der bei unserer Ankunft der letzte in der Schlange gewesen war, immer noch vier oder fünf Wagen von dem Schalter entfernt stand. Der Fahrer wäre viel schneller zu seinem Hamburger gelangt, wenn er wie wir geparkt und ihn drinnen abgeholt hätte, aber auf die Idee wäre er nie gekommen, weil der Autoschalter angeblich ja schneller und bequemer ist.
    Sie verstehen natürlich, was ich meine. Die Amerikaner haben die Vorstellung, daß alles bequem sein muß, so liebgewonnen, daß sie dafür fast jede Unbequemlichkeit in Kauf nehmen. Verrückt, ich weiß, aber so geht's. Alles, was unser Leben schneller und einfacher machen soll, hat in der Praxis häufig genau den gegenteiligen Effekt, und das hat mich ins Grübeln gebracht.
    Die Leute hier waren schon immer merkwürdig eifrige Anhänger der Idee, daß man sich mit allen erdenklichen Hilfsmitteln das Leben erleichtern muß. Interessanterweise wurden fast alle Alltagsdinge, die das Dasein weniger anstrengend machen – Rolltreppen, automatische Türen, Personenaufzüge, Kühlschränke, Waschmaschinen, Tiefkühlkost, Fast food –, in den USA erdacht oder fanden zumindest hier zuerst weite Verbreitung. Man gewöhnte sich sogar derart an arbeitssparende technische Einrichtungen, daß man schon in den sechziger Jahren erwartete, daß Maschinen einem so gut wie alles abnahmen.
    Ich weiß noch, daß mir zum erstenmal Weihnachten 1961 oder 62 der Gedanke kam, daß das nicht notwendigerweise eine gute Sache war. Da bekam mein Vater nämlich ein elektrisches Schneidemesser geschenkt. Es war ein frühes Modell und ziemlich beeindruckend. Vielleicht spielt mir meine Erinnerung einen Streich, aber ich sehe immer noch deutlich vor mir, wie er eine Schutzbrille und dicke Gummihandschuhe anlegte, bevor er das Messer einschaltete. Bestimmt aber trifft es

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