Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
i n e m Vo r m itt a g w ollte i c h das M useo Borghese besichtigen. I c h hatte i r gen d w o g e les e n, daß es 1985 w e g e n dringend erf o rderlicher Ren o vierungsarbeiten für z w ei Jahre ges c hloss e n w orden w ar. A ls ich nun davor st a nd, w ar die Villa noch i mmer v o n Ge r üsten und ein e m verbeult e n Wellblechzaun umgeben. E s h a tte den Ans c he i n, als w ürde es no c h e i ne g a n z e Weile dauern, bis das Museum der Öffentlichkeit w ieder zur V e rfügung st e hen w ürde - und das fünf Jahre na c h s e iner Schließung und drei J a hre na c h d e m urs p rünglich vorges e h e nen T e r m in z ur Wiedereröffnung. U nd g e nau d a s ist diese Un z uverl ä ss i gk e it, mit der z u leben zi e mli c h nerv e n a ufrei b end se i n muß, die m a n aber bald als einen unve r m eidli c hen Best a ndteil des Lebens h i nn i mmt - w ie i n England das Wetter.
Die P flege se i nes kul t urellen Erbes ist nicht gerade Ital i ens starke Seite - das muß einmal ges a gt w erden. D a s L a nd läßt si c h dess e n Inst a ndhal t ung und Rest a uri e rung j ährlich ung e f ä hr 3 50 Million e n Mark k o sten. Das sche i nt j edoch nur so l a nge eine beachtli c he Summe zu sein, bis m a n erfährt, daß allein der Bau von z w a nz i g Kil o m ete r n A utobahn t e ur e r ist oder daß das Land für die Fußbal l w el t me i sters c haft 1990 ein Vie l fa c hes in se i ne Stadien inv e stiert hat. Dieser B e trag entspricht ni c ht e i nmal 0,2 P rozent des italien i s c hen H a ushalts e tats. D e m en t sprech e nd stapeln sich z w ei Drittel der italienis c hen K unstschätze i n L a gerh ä usern oder w erden der Öff e ntli c hkeit a uf s o ns ti ge Weise voren t halt e n, w ä h r end vi e le andere Kul t urdenkmäler m a nge l s P fl e ge langs a m ve r rotten. So stürzte i m März 1989 d e r 900 Jahre alte T urm von P av i a ein. Er kippte einfa c h um und töt e te vier M e nsch e n. U nd vi e le Kos t barkeiten li e gen so ung e schützt he r u m , daß Diebe sie nur einzus a mme l n brau c hen. A lle i n 1 989 versch w a nden a nn ä hernd 13 000 Kuns t w e r ke aus den M use e n und Kirch e n des L a ndes, und w ähr e nd ich hier schreibe, w erden 9 0 000 Kunsts c hätze ve r m ißt. A c htz i g P rozent aller Kunstr a ube in E uropa w erden i n Italien verüb t .
Diese glei c hgü l tige Hal t ung dem nation a len Erbe geg e nüber hat in R o m e i ne l a nge T radition. T a us e nd Jahre benut z ten Baum e ister und A r c hit e kten die ant i k e n Bäder, T e m pel und all die anderen zeitlosen Denk m äler der S tadt als Ste i nbrüche, und z w ar i m al l g e meinen mit dem Seg e n der römis c h-ka t holisch e n Kirche (die an den G e w inn e n beteiligt w ar und e ine Menge Fragen z u bean t w ort e n hätte, w e nn sie me i ne Me i nung hören w oll e n). Das Coloss e um ist ni c ht d i e Ru i ne, die es h e ute ist, w e il der Zahn der Zeit so ve r heerend daran gen a gt hat, sondern w eil die L e ute über Hunderte von Jahren m it Vorschl a gh ä mmern brock e nweise Gestein abg e schl a gen und in die nah e n K a lk ö fen g e karrt haben, um es dort zu Z e m e nt z u verarbeiten. A l s Bern i ni große Mengen B ronze für den B a u se i nes a uf w e ndig e n Baldachins i m P etersd o m brauchte, bediente er si c h an d e r Kuppel des P antheons. E s i st e in Wunder, daß übe r haupt et w as v o m alt e n R o m die Jahrhunderte überd a uert hat.
Da sich me i ne P läne, das Museo Borgh e se zu b e sich t ig e n, zerschl a gen h a tten, machte i c h statt dess e n ein e n Spazierg a ng dur c h die u m li e g e nden Gärt e n, h e u t e der größte und schönste öffentli c he P ark R o m s. I c h g e noß j ede Minute, mit Ausnahme j ener Schrecksekunde, als ich i n e i n e m Wäldchen e i nen M a nn mit groben Gesichts z üg e n a uf der Erde hocken und an e i n e n Baum scheißen s a h, w obei er m i c h mi ß mut i g beobachtete. Zum erst e n Mal wurde m ir b e w ußt, daß sich Europäer offensi c htli c h mit Vorliebe un t er frei e m H i mmel ihrer unbrau c hbaren Stoff w e c hselprodukte e ntledigen. In Frankrei c h und Belgi e n sieht m a n a n j eder Lan d straße j emand e n neben e i n e m gepa r kten W a gen st e h e n und nur e i n e n hal b en Meter von der Straße en t fernt in d i e Büsche p i nkeln. I n Amerika w ürde man diese L e ute i n Hands c h e llen a b führen und verprüge l n. Und i n P aris stößt m a n no c h i mmer auf diese P
Weitere Kostenlose Bücher