Streit Ist Auch Keine Loesung
sich, das eine Beziehung zwangsläufig in eine Schieflage geraten lässt. Es ist vielmehr das Ausbleiben der positiven Einzahlungen auf das Partnerschaftskonto, das eine Partnerschaft ins Trudeln bringt. Ein Streit alleine oder mehrere Streite richten zwar Schaden an, ein dauerhaftes Problem für eine Partnerschaft wird daraus aber erst, wenn sich beide Partner ob all der Probleme, die sie miteinander haben, nicht mehr um die Einzahlungen kümmern. Da funktioniert ein Partnerschaftskonto nicht anders als ein wirkliches Girokonto auch. Bleiben die Einzahlungen aus, dann sperrt die Bank den Zugang zum Konto.
Weiter gehen die Parallelen zum realen Wirtschaftsleben aber nicht. Den wohl größten Unterschied gibt es bei der Höhe der Überziehungszinsen. Auch da sind Banken ja bekanntlich nicht gerade zimperlich. Warum auch, wenn sich doch so der eine oder andere Euro verdienen lässt! 15 Prozent Überziehungszinsen gelten in Deutschland zurzeit als normal. Partnerschaftskonten sind in dieser Beziehung deutlich teurer. Sie fordern von uns glatte 500 Prozent! Und das nicht etwa pro Jahr, sondern auf der Stelle. Sofort!
Das ist jedenfalls das Ergebnis der jahrelangen Forschungen von John Gottman. Der amerikanische Psychologieprofessor und Paartherapeut leitet in Seattle ein Ehelabor, in dem er Partnerschaften auf den Prüfstand stellt. Regelmäßig kommen dort Paare zum Beziehungsstreit zu ihm. Er filmt sie dabei, um später neben der Wortwahl auch ihre Mimik auswerten zu können. Er verkabelt sie auch, um körperliche Reaktionen wie Veränderungen des Hautwiderstandes oder einen erhöhten Puls festzustellen.
Seit mehr als dreißig Jahren forscht John Gottmannun und seine Erkenntnisse ermöglichen es ihm, die langfristige Haltbarkeit von Partnerschaften mit einer Sicherheit von über 90 Prozent vorherzusagen. Auch John Gottman hat sich natürlich mit dem Streiten beschäftigt. Und er hat dabei eine interessante Entdeckung gemacht: Sich zu streiten schwächt eine Partnerschaft vor allem dann, wenn das Verhältnis der positiven Erlebnisse und der negativen Erlebnisse mit dem Partner schlechter ist als 5 zu 1.
Oder anders ausgedrückt: Für jeden Streit und jedes böse Wort bedarf es der fünffachen Anzahl an positiven Erlebnissen, Handlungen und Äußerungen des Partners, um eine Beziehung im Lot zu halten. 500 Prozent eben.
John Gottmans Erkenntnisse werfen ein interessantes Licht auf das Thema Beziehungsstreit und beleuchten einen Aspekt, der von vielen Paarexperten und Ehetherapeuten nicht genug wahrgenommen wird. Sie kümmern sich nämlich oft allzu sehr um das Negative in einer Beziehung, um die Streite, um die Anlässe für die Streite. Und dann suchen sie nach möglichen Lösungen.
Ein Streit ist keine Katastrophe.
John Gottmans Formel aber legt nahe, dass es noch eine ganz andere Möglichkeit gibt, Partnerschaften zu betrachten. Wenn es die positiven Erlebnisse sind, die einen Streit wieder ausgleichen können, könnte es dann sein, dass es Paaren mehr hilft, sich auf die angenehmen Seiten ihrer Beziehung zu konzentrieren und diese zu stärken? Vieles deutet genau darauf hin. Sich zu streiten mag zwar unangenehm sein. Und sich zu streiten ist ganz sicher kein Ausweis seelischer Reife und auch kein Nachweis eines gelungenen Umgangs miteinander – aber ein Streit ist mit Sicherheit auch keine Katastrophe. Das ist die gute Nachricht. Um eine wirklich gute Beziehung zu führen, muss niemand Streit um jeden Preis vermeiden. Eine gute Beziehung ist möglicherweise ganz einfach eine Beziehung, in der jeder der Partner versucht, mehr auf das Beziehungskonto einzuzahlen als der andere.
Gleichen sie Ihr Konto aus!
„Gleichen Sie Ihr Konto aus!“ ist eine wichtige Devise für glückliche Paare. „Halten Sie Ihr Beziehungskonto im Plus“ wäre eine andere Variante. Wie sehen Einzahlungen im Beziehungsleben nun aber aus? Einzahlungen auf das Partnerschaftskonto bestehen aus positiven Zuwendungenaller Art. Das kann ebenso ein gutes Gespräch sein wie ein großer Gefallen, den ich dem anderen tue, eine nette Überraschung oder ein kleines Dankeschön. Ein Kompliment. Ein interessiertes Zuhören. Ein bewundernder Blick. Es zählt einfach alles, was dem anderen Anerkennung, Bewunderung und Bestätigung zukommen lässt. Und alles, was die wohlwollenden Gedanken über ihn bestärkt. Das sind Gedanken an die positiven Seiten des Partners. Schon wer nur an die Dinge denkt, die er an seinem Partner schätzt, stärkt
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