Streng vertraulich
hinaus, Ange?« fragte ich, plötzlich
erschöpft.
»Du bist dir selbst gegenüber nicht ehrlich. Und mir
gegenüber.« Sie erhob sich. »Meinetwegen machen wir es so,
wie du willst. Ich glaube nicht, daß es einen großen
Unterschied macht. Aber denk an eins.«
»Was?«
»Als Jim Vurnan uns fragte, ob wir den Auftrag annehmen
würden, wollte ich ablehnen. Du warst derjenige, der sagte, es
wäre kein Problem, für Mulkern und seine Leute zu arbeiten.« Ich hob die Hände. »Daran hat sich auch nichts geändert.« »Das kann ich nur hoffen, Patrick, denn wir sind nicht so
erfolgreich, daß wir es uns leisten könnten, so einen Job zu
vermasseln.«
Sie ließ mich in der Nische zurück und ging in die Küche. Im Fenster betrachtete ich mein Spiegelbild. Ich war auch
nicht gerade zufrieden mit mir.
Ich parkte mein Auto vor dem Haus, weil ich so von der Nische aus ein Auge drauf hatte. Es war weder gestohlen noch beschädigt oder eingeparkt, wofür ich dem großen Autogott im Himmel dankte.
Angie kam aus der Küche zurück und rief Phil an, um ihm zu sagen, daß sie nicht nach Hause kommen würde. Es wurde zur Tortur, seine Stimme war deutlich zu hören, als er im Jammerton seine verfluchten Bedürfnisse vortrug. Angie bekam wieder diesen leeren, abgeklärten Gesichtsausdruck, dann legte sie den Hörer in den Schoß und schloß einen Moment lang die Augen. Schließlich wandte sie sich mir zu und öffnete sie wieder: »Brauchst du mich?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir treffen uns morgen früh gegen zehn im Büro.«
Sie flüsterte etwas mit so weicher und beruhigender Stimme in den Hörer, daß mir schlecht davon wurde, und kurz nachdem sie eingehängt hatte, war sie weg.
Ich hatte herausgefunden, daß es das einzige Telefon war, und hatte die Hintertür verbarrikadiert, so daß sie keiner öffnen konnte, ohne Lärm zu verursachen. Ich saß auf dem Sitz vor dem Fenster und lauschte dem Haus. Durch die Tür zum Schlafzimmer konnte ich hören, wie Jenna noch immer versuchte, Simone unsere Abmachung beizubringen.
Davor hatte Simone mit quietschender Stimme von Entführung und Kapitalverbrechen geredet und hatte mir eine ganze Ladung von vergleichbaren Fällen vorgehalten, die sie bei LA Law gelernt hatte. Sie hatte sich in Schwung geredet, hatte in höchster Tonlage von Beugehaft und ähnlichem Unsinn gebrabbelt, bis ich ihr versicherte, daß die Alternative zu meinem Umgang mit der Situation darin bestand, daß Sterling Mulkern und seine Mannschaft kurzen Prozeß mit ihrer Schwester machten. Da war sie leise.
Im Schlafzimmer erstarben die Stimmen, und ein paar Minuten später hörte ich, daß die Tür geöffnet wurde. Im Fenster sah ich Jennas Spiegelbild. Sie trug ein riesiges TShirt und eine alte graue Jogginghose, sie hatte sich abgeschminkt. In der Hand hielt sie zwei Dosen Bier, und als ich mich umdrehte, gab sie mir eine davon. Dann sagte sie: »Ich mußte meiner Schwester versprechen, daß ich ihr neue kaufe.«
»Das glaube ich sofort.«
Sie lächelte und setzte sich mir gegenüber auf die Fensterbank. »Sie hat mir gesagt, ich soll Ihnen verbieten, an den Kühlschrank zu gehen. Sie will nicht, daß Sie ihr Essen anfassen.«
»Verständlich«, erwiderte ich und öffnete das Bier. »Vielleicht gehe ich dran, wenn ihr schon schlaft, und stelle die Sachen ein bißchen um, nur um sie zu ärgern.«
Sie nahm einen Schluck Bier. »Simone ist ein gutes Mädchen. Nur richtig sauer.«
»Auf wen?«
»Auf wen man will! Auf die Welt im allgemeinen, schätze ich. Auf die Weißen im besonderen.«
»Ich schätze, ich habe nicht gerade dazu beigetragen, sie vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Nein, nicht unbedingt.«
Fast wirkte sie heiter, wie sie da so vor dem Feinster saß, den Kopf gegen die Scheibe gelehnt, das Bier im Schoß. Ohne Schminke sah sie irgendwie jünger aus, weniger ausgebrannt. Vielleicht war sie sogar mal schön gewesen, eine Frau, der die Männer hinterherpfiffen, wenn sie über die Straße ging. Ich versuchte, sie mir so vorzustellen: die junge Jenna Angeline, das Gesicht erhellt durch einen Anflug von Selbstbewußtsein, weil sie sich in der Illusion wiegte, ihre Jugend und Schönheit eröffneten ihr verschiedene Möglichkeiten - aber es gelang mir nicht. Die Zeit hatte sie mit zu harter Hand angefaßt.
Sie fing an: »Ihre Kollegin, die war aber auch nicht gerade begeistert.«
»Stimmt. Aber sie hatte die Wahl: Wir hätten anrufen können und wären jetzt schon zu Hause.«
Sie nickte und trank noch einen
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