Striptease: Roman (German Edition)
ein geweihter Kelch. Seine Stimme bekam einen verschlagenen Unterton: »Ich habe Ihrem Freund gegenüber eine bestimmte Idee geäußert.«
»Welcher Freund war das?«
»Ihr ›spezieller‹ Freund.«
Natürlich, dachte Erin. »Ich habe eine Menge spezielle Freunde«, sagte sie, »mit einer Menge spezieller Ideen.«
Der Richter schürzte seine wurmartigen Lippen und sagte: »Sie weichen mir aus.« Er fummelte unter dem Tisch herum, als kratzte er sich, holte aber dann eine Bibel hervor. »Ich komme sehr oft hierher, um für Sünderinnen wie Sie zu beten.«
»Das ist aber ein guter Witz!«
»Ich habe jedesmal das Buch der Bücher in meinem Schoß liegen.«
»Und trotzdem steigt es manchmal hoch?«
»Ich bekämpfe den Teufel auf seinem eigenen Terrain.«
»Wie Sie meinen«, sagte sie.
»Gut gegen Böse, Böse gegen Gut. Es ist eine immerwährende Schlacht.« Der Richter fand eine trockene Stelle auf dem Cocktailtisch und legte die Bibel dorthin. Dann genehmigte er sich einen gluckernden Schluck von seinem Bourbon. Auf der Bühne tanzten die beiden Moniques als Revolverheldinnen: mit Fransen besetzte Stiefel, Stetsons, Holster und ein silberner Stern auf jeder nackten Brust. Der Richter war kurzfristig abgelenkt.
»Ich muß mich jetzt fertig machen«, sagte Erin und erhob sich vom Tisch.
Der Richter zuckte herum und musterte sie aufmerksam. »Soll das heißen, daß die Antwort nein lautet?«
»Was hat denn mein spezieller Freund gesagt, wie die Antwort ausfallen würde?«
»Mr. Dilbeck war sich nicht sicher.«
Endlich, dachte Erin: Jerrys Kongreßabgeordneter.
»Wir haben uns über Ihren Sorgerechtsfall unterhalten«, sagte der Richter. »Ich habe eine orale Vereinbarung vorgeschlagen. Hat er Ihnen das nicht mitgeteilt?«
Orale Vereinbarung. Wie unglaublich clever! Der Kerl war ein echter Noël Coward. »Euer Ehren«, sagte Erin, »ich kenne niemanden namens Dilbeck. Und was immer Sie ihm vorgeschlagen haben, ich verspreche Ihnen, daß meine Antwort immer nein lauten wird.«
Der Richter schien eher verblüfft als enttäuscht zu sein. »Na schön«, sagte er und ließ wieder die Eiswürfel kreisen. »Aber vielleicht können wir an irgendeinem schönen Sonntagmorgen mal gemeinsam beten.«
Der Anwalt, der wie ein Schwachsinniger grinste, wartete an der Tür. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein, kommen Sie rein.«
Shad mißtraute übertriebener Freundlichkeit. »Ich hab’s schon beim erstenmal verstanden. Was gibt es Neues von Delicato Dairy?«
Mordecai geleitete ihn zum Konferenzraum. »Kaffee, Mr. Shad?«
»Antworten, Mr. Mordecai.«
Aus seinem Hosenbund zog Shad eine schnurlose Black & Decker-Bohrmaschine. Wortlos begann er, zahlreiche Löcher in Mordecais Lieblings-Matisse-Druck zu bohren. »Der neue Pointilismus«, erklärte Shad dem entgeisterten Anwalt.
Sehr bald fiel das Bild von der Wand und gab den Blick auf ein identisches Muster frischer Löcher im Verputz frei. Mordecais Sekretärin klopfte aufgeregt an die Tür, und Shad befahl ihr, zu verschwinden. Mordecai fiel auf die Knie und flehte um Gnade. Das hatte er geprobt, seit Dr. Vibbs angerufen hatte, die Stimme weinerlich dank der Wirkung von Nembutal. Seine Sitzung mit Shad war ziemlich katastrophal verlaufen.
»Bringen Sie mich nicht um«, jammerte Mordecai. »Ich tue alles, was Sie wollen.«
Shad klemmte sich die Bohrmaschine unter den Arm. »Erzähl von vorne, du Scheißhacke.«
Der Bericht des Anwalts wurde von Schluchzlauten und Gewimmer begleitet. Der Joghurt sei sicher im Kühlschrank deponiert worden. Eines Tages habe Beverly krankgefeiert. Die Teilzeitkraft habe sich einfach bedient, ohne vorher zu fragen... und den ganzen verdammten Becher geleert, mitsamt Kakerlake. So eine dämliche Schnalle!
Shads Amphibienaugen schlossen sich langsam und blieben so für längere Zeit. Er dachte, daß er lieber eine Warnung an dem Joghurtbecher hätte anbringen sollen.
Die Knie das Anwalts schmerzten, aber er hatte zuviel Angst, um sich zu rühren. Beverly hämmerte wieder gegen die Tür, und diesmal erschrak Mordecai, als er seine eigene Stimme vernahm, die ihr erklärte, sie solle sich beruhigen, es sei alles in Ordnung. Er unterhalte sich nur mit einem ganz normalen narkoleptischen Soziopathen, der juristischen Beistand brauche.
»Geht es Ihnen gut?« fragte der Anwalt Shad.
Der haarlose Riese schlug die Augen auf. Sein Gesicht verriet nichts. Aus seiner Brusttasche holte er eine Handvoll knisternder toter Insekten – Kakerlaken,
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